Seelen der Nacht
gedient hatte – wo das Getreide gelagert worden war, das Wildbret abhing und der Käse reifte.
»Vampire essen doch gar nichts«, meinte ich verwirrt.
»Nein, aber unsere Diener haben gegessen. Und Marthe kocht für ihr Leben gern.«
Ich versprach, sie beschäftigt zu halten. Das Brötchen war köstlich, und die Eier waren perfekt gewesen.
Danach führte uns der Weg in den Garten, der sichtbar aus dem sechzehnten Jahrhundert stammte. Da gab es Beete für Kräuter und Herbstgemüse, und Rosenbüsche, vereinzelt mit ein paar letzten Blüten behangen, säumten die Anlage ein.
Aber der Duft, der mich am meisten lockte, stammte von keiner Pflanze. Wie ferngesteuert hielt ich auf ein niedriges Gebäude zu.
»Sei vorsichtig, Diana«, rief er mir nach und marschierte mir über den Kies hinterher. »Balthasar beißt.«
»Welcher ist Balthasar?«
Mit leicht ängstlicher Miene trat er hinter mir durch das Stalltor. »Der Hengst, der eben deinen Rücken als Kratzpfosten missbraucht«, antwortete Matthew angespannt. Ich stand mit dem Rücken zu einem großen, schweren Pferd, während ein Mastiff und ein Wolfshund mich umkreisten und neugierig beschnupperten.
»Ach, mich beißt er bestimmt nicht.« Der riesige Percheron senkte den Kopf, sodass er seine Ohren an meiner Hüfte reiben konnte. »Und wer sind diese beiden Herren?«, fragte ich und kraulte den Nacken des Wolfshundes, während der Mastiff spielerisch meine Hand in sein Maul zu nehmen versuchte.
»Der Wolfshund heißt Fallon und der Mastiff Hector.« Matthew schnippte mit dem Finger, und beide Hunde liefen zu ihm, setzten sich gehorsam und warteten aufmerksam auf weitere Anweisungen. »Bitte geh von diesem Pferd weg.«
»Warum? Er ist doch nett.« Balthasar stampfte zustimmend mit einem Huf auf und legte ein Ohr zurück, um Matthew herablassend anzusehen.
»Wenn der Schmetterling zum lieblichen Licht fliegt, weiß er nicht, dass ihn die Flamme verzehren kann« , murmelte Matthew vor sich hin. »Balthasar ist nur nett, solange ihm nicht langweilig wird. Ich
möchte, dass du von ihm weggehst, bevor er die Tür seiner Box eintritt.«
»Wir machen deinen Herrn so nervös, dass er schon anfängt, mit Zitaten aus den obskuren Werken vergeistigter italienischer Kleriker um sich zu werfen. Morgen bringe ich dir etwas Süßes.« Ich drehte mich um und küsste Balthasar auf die Nüstern. Er wieherte leise und tänzelte ungeduldig mit den Hufen.
Matthew konnte seine Überraschung kaum verbergen. »Du hast das erkannt?«
»Giordano Bruno. ›Wenn der durstige Hirsch zum Bach läuft, dann nur, weil er nichts von dem grausamen Bogen weiß‹«, zitierte ich weiter. »›Wenn das Einhorn zu seinem reinen Nest rennt, dann nur, weil es die Schlinge nicht sieht, die dort bereitliegt.‹«
»Du kennst das Werk des Nolaners?« Matthew verwendete die Bezeichnung, die sich der Mystiker aus dem sechzehnten Jahrhundert selbst gegeben hatte.
»Er war ein früher Anhänger von Kopernikus, und ich bin Wissenschaftshistorikerin. Woher kennst du Brunos Werk?«
»Ich habe viel Zeit zum Lesen«, antwortete er ausweichend.
»Du hast ihn kennengelernt!« Das klang fast wie ein Vorwurf. »War er ein Dämon?«
»Einer, der leider allzu oft zwischen Genie und Wahnsinn hin und her pendelte.«
»Ich hätte es wissen müssen. Schließlich glaubte er an außerirdisches Leben und verfluchte seine Inquisitoren noch auf dem Weg zum Scheiterhaufen«, sagte ich kopfschüttelnd.
»Trotzdem wusste er, wie mächtig das Verlangen sein kann.«
Ich sah den Vampir scharf an. »›Das Verlangen treibt mich, dieweil die Angst mich zügelt.‹ Kommt Bruno auch in deinem Essay fürs All Souls vor?«
»Durchaus.« Matthews Mund schnurrte zu einer dünnen Linie zusammen. »Würdest du jetzt bitte von dort weggehen? Wir können uns ein andermal über Philosophie unterhalten.«
Plötzlich kamen mir noch mehr Passagen in den Sinn. Vielleicht
war Matthew aus einem ganz anderen Grund auf Bruno gekommen, hatte dieser doch auch über die Göttin Diana geschrieben.
Ich trat von der Box zurück.
»Balthasar ist kein Pony«, warnte Matthew mich und zog mich am Ellbogen ein Stück weiter weg.
»Das sehe ich selbst. Trotzdem wäre ich mit ihm fertig geworden.« Bei dem Gedanken an eine solche Herausforderung wurden das alchemistische Manuskript und der italienische Philosoph schlagartig unwichtig.
»Reiten kannst du auch?«, fragte Matthew ungläubig.
»Ich bin auf dem Land aufgewachsen und habe schon als
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