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Seelen der Nacht

Seelen der Nacht

Titel: Seelen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Harkness
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anderen Schuhen zum Stall gehen müssen.«
    »Nein, ich will sie jetzt gleich anziehen.« Ich streckte die Finger danach aus.
    »Dann setz dich hin.« Er schüttelte den Kopf über meine Ungeduld. »Ohne fremde Hilfe bekommst du sie beim ersten Mal bestimmt nicht an.« Matthew hob mich mitsamt meinem Stuhl hoch und drehte mich um, damit er mehr Platz zum Arbeiten hatte. Er hielt mir den rechten Stiefel hin, und ich presste meinen Fuß bis zum Knöchel hinein. Er hatte recht. Ich konnte noch so ziehen und zerren, ich würde den Fuß keinesfalls um die steife Biegung bekommen. Er stellte sich über meinen Fuß, fasste den Stiefel an Absatz und Zeh und ruckelte behutsam, während ich oben am Lederschaft zog. Nach ein paar Minuten Kampf hatte ich den Fuß bis zur Spitze vorgeschoben. Matthew drückte ein letztes Mal fest auf die Sohle, und der Stiefel schmiegte sich um meine Knochen.
    Als ich die Stiefel angelegt hatte, streckte ich die Beine in die Höhe, um sie zu bewundern. Matthew zupfte und klopfte den Schaft zurecht und fuhr mit den kalten Fingern einmal unter den Rand, um sich zu überzeugen, dass sie mir nicht das Blut abschnitten. Ich stand unsicher auf, so als hätte ich plötzlich längere Beine bekommen, wagte ein paar steife Schritte und drehte zuletzt eine wacklige Pirouette.
    »Danke.« Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und schlang die Arme um seinen Hals. »Die sind unglaublich.«
    Matthew trug meine Weste und den Helm zum Stall, so wie er in Oxford ganz selbstverständlich meinen Computer und die Yogamatte getragen hatte. Die Stalltüren standen weit offen, und drinnen hörte ich jemanden arbeiten.
    »Georges?«, rief Matthew. Ein kleiner, drahtiger Mann unbestimmbaren Alters  – aber kein Vampir  – kam, ein Geschirr und einen Striegel in der Hand, um die Ecke. Als wir an Balthasars Box vorbeikamen,
stampfte der Hengst ärgerlich auf und warf den Kopf zurück. Du hast es versprochen , schien er zu sagen. In meiner Tasche lag ein kleiner Apfel, den ich Marthe abgebettelt hatte.
    »Da hast du was, Baby«, sagte ich und servierte ihn Balthasar auf der ausgestreckten Hand. Argwöhnisch beobachtete Matthew, wie Balthasar den Hals reckte und vorsichtig die Lippen schürzte, um mir den Apfel von der Hand zu pflücken. Sobald er ihn im Maul hatte, sah er seinen Besitzer triumphierend an.
    »Ja, ich kann sehen, dass du dich wie ein Prinz benimmst«, bestätigte Matthew ironisch, »aber das heißt nicht, dass du dich nicht bei der nächstbesten Gelegenheit wie ein Teufel aufführst.« Wieder stampfte Balthasar verärgert mit dem Huf auf.
    Wir kamen an der Sattelkammer vorbei, wo ich nicht nur die üblichen Reitsättel, Geschirre und Zügel sah, sondern auch ein paar freistehende Holzgestelle, auf denen kleine Sessel mit eigenartigen Stützen auf der einen Seite aufgebockt waren.
    »Was ist das?«
    »Damensättel«, erklärte mir Matthew, streifte die Schuhe ab und stieg in ein Paar große, ausgetretene Stiefel. Sein Rist rutschte nach einem kurzen Aufstampfen und einem energischen Ruck am Schaft durch die Biegung. »Ysabeau reitet lieber so.«
    Auf der Koppel drehten Dahr und Rakasa die Köpfe und beobachteten interessiert, wie Georges und Matthew unseren Ausritt besprachen. Ich streckte Dahr die Hand hin und bedauerte, dass ich keine weiteren Äpfel in der Tasche hatte. Der Wallach wirkte ebenfalls enttäuscht, als er den süßen Duft schnupperte.
    »Nächstes Mal«, versprach ich ihm, duckte mich unter seinem Hals durch und trat zu Rakasa. »Hallo, meine Schöne.«
    Rakasa hob den rechten Vorderfuß und neigte mir den Kopf zu. Ich fuhr mit beiden Händen über ihren Hals und ihre Schultern, damit sie sich an meinen Geruch und meine Berührung gewöhnte, und zog dann am Sattel, um mich zu vergewissern, dass der Gurt straff gespannt war und die Decke darunter keine Falten warf. Die Stute drehte den Kopf, beschnupperte mich neugierig und stupste mit der
Schnauze gegen die Tasche, in der ich den Apfel gehabt hatte. Entrüstet warf sie den Kopf hoch.
    »Dir auch«, versprach ich lachend und legte die Linke auf ihren Rumpf. »Jetzt lass mal sehen.«
    Pferde lassen sich etwa so gern die Hufe kontrollieren, wie sich die meisten Hexen unter Wasser tunken lassen  – nämlich gar nicht gern. Aber ob es nun Angewohnheit oder Aberglaube war, ich hatte mich noch nie auf ein Pferd gesetzt, ohne mich vorher zu überzeugen, dass nichts im Huf klemmte.
    Als ich mich wieder aufrichtete, spürte ich die prüfenden

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