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Seelen der Nacht

Seelen der Nacht

Titel: Seelen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Harkness
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wartete ab, während ich den Raum abschritt und nach Luft schnappend einzelne Titel entzifferte. Als ich wieder bei ihm angekommen war, konnte ich nur ungläubig den Kopf schütteln.
    »Stell dir vor, was sich alles angesammelt hätte, wenn du über Jahrhunderte hinweg Bücher gekauft hättest«, erklärte Matthew mit einem Achselzucken, das mich an Ysabeau erinnerte. »Da bleibt so manches
hängen. Im Lauf der Jahre haben wir das meiste wieder weggegeben. Wir mussten. Andernfalls hätte dieser Raum die Ausmaße der Bibliothèque Nationale.«
    »Und wo steht es?«
    »Wie ich sehe, bist du jetzt schon mit deiner Geduld am Ende.« Er trat an ein Regal und suchte kurz die Bände ab. Dann zog er ein Büchlein mit schwarz verziertem Umschlag heraus und reichte es mir.
    Als ich nach einer samtüberzogenen Buchstütze suchte, in die ich es legen konnte, lachte er nur.
    »Schlag es einfach auf, Diana. Es wird schon nicht zu Staub zerfallen.«
    Nachdem ich darauf geeicht war, so wertvolle Manuskripte als Kunstobjekt und nicht als schnöde Lektüre zu behandeln, war es ein befremdliches Gefühl, es in den Händen zu halten. Bemüht, das Buch nicht zu weit zu öffnen und dadurch die Bindung zu beschädigen, warf ich einen Blick hinein. Eine Explosion von bunten Farben, Gold und Silber sprang mir entgegen.
    »Oh«, hauchte ich. Die Ausgaben der Aurora Consurgens, die ich bisher gesehen hatte, waren längst nicht so kunstvoll. »Das ist ja fantastisch. Weißt du, wer die Illustrationen angefertigt hat?«
    »Eine Frau namens Bourgot Le Noir. Sie war Mitte des vierzehnten Jahrhunderts in Paris ziemlich bekannt.« Matthew nahm mir das Buch ab und schlug es vollständig auf. »So. Jetzt kannst du es dir richtig ansehen.«
    Die erste Illustration zeigte eine Königin auf einem kleinen Hügel, die ihren Umhang ausgebreitet hatte, um sieben kleinen Wesen Schutz zu bieten. Feingliedrige Ranken zogen sich über das Pergament und rahmten das Bild ein. Hier und da öffneten sich die Knospen zu Blüten oder saßen Vögel auf den Zweigen. Im Nachmittagslicht hob sich das verzierte goldene Kleid der Königin strahlend gegen den zinnoberrot leuchtenden Hintergrund ab. Unten am Seitenrand saß ein Mann in schwarzer Robe auf einem Schild mit einem schwarz-silbernen Wappen. Der Mann sah mit verzückter Miene zu der Königin auf und hatte die Hände flehend erhoben.
    »Das wird mir niemand glauben. Eine unbekannte Ausgabe der
Aurora Consurgens   – und noch dazu von einer Frau illustriert?« Ich schüttelte fassungslos den Kopf. »Wie kann ich so etwas zitieren?«
    »Falls dir das hilft, könnte ich das Manuskript ein Jahr lang der Beinecke-Bibliothek in Yale leihen. Natürlich anonym. Und was Bourgot angeht, werden die Experten behaupten, es sei eine Arbeit ihres Vaters. Trotzdem sind alle Bilder von ihr. Wahrscheinlich haben wir irgendwo noch die Quittung liegen«, meinte Matthew unschlüssig und sah sich um. »Ich werde Ysabeau fragen, wo Godfreys Sachen liegen.«
    »Godfrey?« Das mir unbekannte Wappen zeigte eine Lilie, umwunden von einer Schlange, die in ihren Schwanz biss.
    »Mein Bruder.« Plötzlich klang er gar nicht mehr unschlüssig, und seine Miene verfinsterte sich. »Er starb 1668 in einem der höllischen Kriege, die Louis XIV. führte.« Vorsichtig klappte er das Manuskript wieder zu und legte es auf einen Tisch in der Nähe. »Ich nehme das später mit nach oben ins Arbeitszimmer, damit du es dir genauer ansehen kannst. Morgens liest Ysabeau hier immer die Zeitung, aber sonst ist nie jemand in diesem Raum. Du kannst hier schmökern, wann immer du willst.«
    Nach diesem Versprechen schob er mich weiter durch den Salon in die große Halle, wo wir vor dem Tisch mit der chinesischen Vase stehenblieben. Er wies mich auf die Besonderheiten dieses Raumes hin, darunter die Empore für die Minnesänger, die Klappe im Dach, durch die vor dem Einbau der gemauerten Kamine und Abzüge der Rauch abgelassen worden war, und den Eingang zum quadratischen Wachtturm über dem Haupttor zum Château. Dieser Anstieg konnte ruhig noch einen Tag warten.
    Anschließend führte Matthew mich nach unten in ein Labyrinth von Lagerräumen, Weinkellern, Küchen, Dienstquartieren, Vorrats-und Speisekammern. Aus einer der Küchen trat uns Marthe entgegen, die Arme bis zu den Ellbogen mit Mehl bestäubt, und reichte mir ein noch ofenwarmes Brötchen. Ich aß es, während Matthew mir voran durch die Gänge spazierte und mir genau erklärte, wozu jeder Raum

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