Seelen der Nacht
Matthews Arme lagen unter meinem schmerzenden Rücken, und er drückte meinen Kopf an seine Halsbeuge. Ich bewegte mich und sah mich um.
»Wir sind zu Hause«, flüsterte er und marschierte weiter auf die Lichter des Châteaus zu.
»Ysabeau und Marthe.« Ich versuchte den Kopf zu heben. »Ihnen ist doch nichts zugestoßen?«
»Es geht ihnen gut«, erwiderte Matthew und hielt mich noch fester.
Wir traten in den gleißend hell erleuchteten Gang zur Küche. Das Licht brannte mir so in den Augen, dass ich den Kopf abwandte, bis der Schmerz abgeklungen war. Eine meiner Pupillen schien weiter geöffnet zu sein als die andere, weshalb ich das eine Auge halb zudrückte, damit beide gleich viel Licht einfingen. Ich machte eine Gruppe von Vampiren aus, die sich vor mir und Matthew im Korridor versammelt hatten. Baldwin wirkte neugierig, Ysabeau zornig, Marthe grimmig und bekümmert. Ysabeau machte einen Schritt auf uns zu, und Matthew knurrte.
»Matthew«, setzte sie vorsichtig an und richtete den bekümmerten Blick mütterlich fest auf mich. »Wir müssen ihre Familie anrufen. Wo ist dein Handy?«
Sein Griff wurde fester. Mein Kopf war viel zu schwer für meinen Hals. Ich ließ ihn wieder gegen Matthews Schulter sinken.
»Es steckt wahrscheinlich in seiner Tasche, aber er wird die Hexe bestimmt nicht ablegen, um es herauszuholen. Und er wird dich auch nicht so nahe herankommen lassen, dass du es dir holen kannst.« Baldwin reichte Ysabeau sein Handy. »Nimm das hier.«
Baldwins Blick tastete meinen zerschundenen Körper so aufmerksam ab, dass es sich anfühlte, als würden Eispacks auf meine Haut gedrückt und wieder weggenommen. »Sie sieht aus, als käme sie aus der Schlacht.« Ich hörte die widerwillige Anerkennung in seiner Stimme.
Marthe sagte etwas auf Okzitanisch, und Matthews Bruder nickte.
»Ôc«, sagte er und sah mich anerkennend an.
»Diesmal nicht, Baldwin«, knurrte Matthew.
»Die Nummer, Matthew.« Ysabeaus knappe Bemerkung lenkte ihren Sohn ab. Er ratterte sie herunter, und seine Mutter drückte die entsprechenden Tasten.
»Es geht mir gut«, krächzte ich. »Setz mich ab, Matthew.«
»Nein, hier ist Ysabeau de Clermont. Diana ist bei uns.«
Es wurde wieder still, während Ysabeaus Eiszapfenblicke über mich hinwegzuckten. »Sie ist verletzt, aber nicht lebensbedrohlich. Trotzdem sollte Matthew sie nach Hause bringen. Zu Ihnen.«
»Nein. Sie wird mir folgen. Satu darf Sarah und Em nichts tun«, widersprach ich und versuchte mich aus Matthews Griff zu befreien.
»Matthew«, knurrte Baldwin, »lass sie von Marthe verpflegen, oder sorg dafür, dass sie still bleibt.«
»Halte dich da raus, Baldwin«, fuhr Matthew ihn an. Seine kühlen Lippen berührten meine Wangen, und mein Puls ging sofort langsamer. Er senkte die Stimme zu einem Murmeln. »Wir werden nichts tun, was du nicht willst.«
»Wir können sie vor Vampiren beschützen.« Ysabeaus Stimme klang wie aus weiter Ferne. »Aber nicht vor Hexen. Wir müssen sie zu
jemandem bringen, der das kann.« Das Gespräch verhallte, und ein grauer Nebel senkte sich wie ein Vorhang über mich.
Diesmal kam ich oben in Matthews Turm zu mir. Jede einzelne Kerze brannte, und im Kamin loderte ein Feuer. Es war fast warm hier, trotzdem zitterte ich unter dem Adrenalin und dem Schock. Matthew hockte auf dem Boden, hatte mich zwischen seinen Knien abgesetzt und untersuchte meinen rechten Unterarm. Ein langer Riss in meinem blutgetränkten Pullover zeigte, wo Satu mich aufgeschlitzt hatte. Ein frischer roter Fleck leckte in die dunkleren Stellen.
Marthe und Ysabeau standen in der Tür wie zwei wachsame Falken.
»Ich kann mich selbst um meine Frau kümmern, Maman «, sagte Matthew.
»Natürlich, Matthew«, murmelte Ysabeau in ihrem typischen scheinbar gehorsamen Tonfall.
Matthew riss den Ärmel bis zum Bund auf, um die Wunde freizulegen, und fluchte. »Bring mir meine Tasche, Marthe.«
»Nein«, widersprach sie mit fester Stimme. »Sie ist völlig verdreckt, Matthew.«
»Lass sie erst baden«, pflichtete Ysabeau Marthe bei. »Ihr ist eiskalt, außerdem kannst du ihre Verletzungen kaum erkennen. Damit hilfst du ihr nicht, mein Sohn.«
»Kein Bad«, widersprach er entschieden.
»Warum denn nicht?«, fragte Ysabeau ungeduldig. Sie deutete zur Treppe hin, und Marthe verschwand.
»Das Wasser wäre mit ihrem Blut getränkt«, erklärte er gepresst. »Baldwin würde es riechen.«
»Wir sind hier nicht in Jerusalem, Matthew«, sagte Ysabeau. »Er hat diesen
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