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Seelen der Nacht

Seelen der Nacht

Titel: Seelen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Harkness
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flackerte. Das Band rollte sich ab, schoss durch das Loch und riss meinen Körper mit hoch.
    Meine Mutter lächelte, und mein Vater sah mir genauso stolz zu wie damals, als er die Stützräder von meinem ersten Fahrrad abmontiert hatte. Matthew beugte sich nach unten, und neben ihm erkannte ich ein zweites Gesicht, das seinem Bruder gehören musste. Beide waren von einer Schar Geister umgeben, die fassungslos darüber wirkten, dass es jemand nach all den Jahren lebend aus diesem Verlies schaffte.
    »Gott sei Dank«, hauchte Matthew und streckte mir die langen, weißen Finger entgegen. »Nimm meine Hand.«
    Sobald er mich festhielt, kehrte das Gewicht in meinen Körper zurück.
    »Mein Arm!«, schrie ich auf, als die Muskeln gespannt wurden und die Wunde an meinem Unterarm wieder aufplatzte.
    Unterstützt von einer zweiten, fremden Hand packte mich Matthew an der Schulter. Zu zweit zogen sie mich aus der Oubliette, und im nächsten Moment wurde ich gegen Matthews Brust gedrückt. Die Finger in seinen Pullover gekrallt, klammerte ich mich an ihm fest.
    »Ich wusste, dass du das schaffst«, murmelte er zutiefst erleichtert, genau wie der Prinz in der Geschichte meiner Mutter.
    »Dafür ist jetzt keine Zeit!« Matthews Bruder rannte bereits den Gang zur Tür hinunter.
    Matthew nahm mich an den Schultern und besah sich kurz meine Verletzungen. Seine Nasenflügel bebten, als er das getrocknete Blut roch. »Kannst du gehen?«, fragte er leise.
    »Nimm sie auf den Arm, und schaff sie hier heraus, sonst hast du
gleich ganz andere Probleme als ein bisschen Blut!«, rief uns der andere Vampir zu.
    Matthew wuchtete mich hoch wie einen Sack Mehl und begann zu rennen, die Arme fest um meinen Rücken gespannt. Ich biss mir auf die Lippe und schloss die Augen, weil mich der unter uns dahinfliegende Boden zu sehr an den Flug mit Satu erinnerte. Ein Schwall kühler Luft verriet mir, dass wir ins Freie kamen. Ich atmete tief ein und begann sofort zu schlottern.
    Matthew rannte noch schneller und trug mich zu einem Hubschrauber, der verrückterweise auf einer ungeteerten Straße vor dem Schloss wartete. Den Körper schützend über mich gebeugt, sprang Matthew durch die offene Tür des Hubschraubers. Sein Bruder folgte ihm, und die Lichter der Cockpitinstrumente setzten grünliche Lichtpunkte in sein kupferrotes Haar.
    Als Baldwin sich niederließ, strich mein Fuß über seinen Schenkel, woraufhin er mir einen Blick zuwarf, in dem sich Hass und Neugier mischten. Sein Gesicht war mir aus der Vision vertraut, die ich in Matthews Arbeitszimmer gehabt hatte: erst erhellt von den Lichtern, die sich in der Rüstung spiegelten, dann, als er einen Finger auf die Siegel der Lazarusritter gelegt hatte. »Ich dachte, du wärst tot.« Ich kuschelte mich an Matthews Brust.
    Baldwin sah mich mit großen Augen an. »Los!«, schrie er dem Piloten zu, und wir hoben ab.
    Sobald wir in der Luft schwebten, musste ich wieder an Satu denken, und das Zittern wurde noch heftiger.
    »Sie steht unter Schock«, sagte Matthew. »Kann das Ding nicht schneller fliegen, Baldwin?«
    »Setz sie k. o.«, befahl Baldwin ungeduldig.
    »Ich habe nichts dabei, um sie zu betäuben.«
    »O doch, das hast du.« Die Augen seines Bruders glitzerten. »Soll ich das für dich übernehmen?«
    Matthew sah mich an und versuchte zu lächeln. Mein Schlottern ließ ein wenig nach, aber jedes Mal, wenn der Hubschrauber im Wind schwankte, wurden die Erinnerungen an Satu wieder wach.

    »Bei den Göttern, Matthew, sie hat Todesangst«, sagte Baldwin zornig. »Jetzt mach schon.«
    Matthew biss in seine Lippe, bis ein Blutstropfen auf der glatten Haut perlte. Dann senkte er den Kopf, um mich zu küssen.
    »Nein.« Ich wand mich, um seinem Mund zu entkommen. »Ich weiß, was du da tust. Satu hat es mir erzählt. Du benutzt dein Blut, um mich zu betäuben.«
    »Du stehst unter Schock, Diana. Etwas anderes habe ich nicht da. Lass dir von mir helfen.« Aus seinem Gesicht sprach nackte Angst. Ich hob die Hand und tupfte den Blutstropfen mit meiner Fingerspitze ab.
    »Nein. Ich werde das selbst tun.« Die Hexen würden sich nicht länger das Maul darüber zerreißen, dass ich Matthew willenlos ausgeliefert war. Ich leckte die salzige Flüssigkeit von meiner tauben Fingerspitze. Meine Lippen und meine Zunge kitzelten kurz, dann waren die Nerven betäubt.
    Als ich wieder erwachte, spürte ich frische Luft auf meinen Wangen und roch Marthes Kräuter. Wir befanden uns im Garten von Sept-Tours.

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