Seelen der Nacht
dem Schmerz zurückgekehrt waren.
Matthews kühle Finger fuhren die brennende Wunde bis zu der Stelle nach, an der sie unter meinen Haaren verschwand. »Das ist nicht tief. Du musst nicht genäht werden.« Er griff nach einem Tiegel und schmierte etwas Salbe auf meine Haut. Sie roch nach Minze und Gartenkräutern. »Bist du allergisch gegen irgendwelche Medikamente?«, fragte er, als er damit fertig war.
Ich schüttelte den Kopf.
Wieder rief er nach Marthe, die mit einem Arm voller Handtücher angelaufen kam. Er ratterte eine Liste von Medikamenten herunter, und Marthe zog nickend einen klirrenden Schlüsselbund aus ihrer Tasche. Nur eines der Medikamente klang vertraut.
»Morphin?« Mein Puls begann zu rasen.
»Das wird den Schmerz lindern. Die anderen Medikamente sind gegen Schwellungen und Infektionen.«
Das Bad hatte meine Angst ein wenig besänftigt und den Schock abgemildert, dafür wurden die Schmerzen immer schlimmer. Die Aussicht, sie zu verbannen, war verlockend, darum erklärte ich mich widerwillig einverstanden, die Medikamente zu nehmen, wenn ich dafür aus der Wanne durfte. Im rostroten Wasser zu sitzen war nicht besonders angenehm.
Doch bevor ich herausklettern durfte, bestand Matthew darauf, meinen rechten Fuß zu untersuchen. Er hob ihn aus dem Wasser und drückte die Schuhsohle gegen seine Schulter. Sofort schnappte ich nach Luft.
»Ysabeau. Kannst du bitte herkommen?«
Genau wie Marthe wartete Ysabeau geduldig im Schlafzimmer für den Fall, dass ihr Sohn sie brauchen sollte. Als sie hereinkam, wies Matthew sie an, sich hinter mich zu stellen, während er vorsichtig die wassergetränkten Schuhbänder aufschnitt und den Schuh von meinem Fuß zu lösen versuchte. Ysabeau hielt mich an den Schultern fest, um zu verhindern, dass ich vor Schmerz aus der Wanne sprang.
Ich weinte, bis Matthew seine Untersuchung abgeschlossen hatte – selbst nachdem er es aufgegeben hatte, den Schuh ausziehen zu wollen, und ihn stattdessen aufriss wie ein Schneider, der feines Tuch auftrennt. Auch die Socke riss er auf und danach den Saum meiner Leggings, bevor er den Stoff zurückschälte, um den Knöchel freizulegen. Um den Fuß zog sich ein Ring, als hätte mir jemand Fußschellen angelegt, die sich in die Haut gebrannt und schwarze Blasen mit merkwürdigen weißen Flecken dazwischen zurückgelassen hatten.
Matthew sah auf, und ich sah den Zorn in seinem Blick. »Wie hat sie das gemacht?«
»Satu hat mich kopfüber aufgehängt. Sie wollte feststellen, ob ich fliegen kann.«
Vorsichtig nahm Ysabeau meinen Fuß in die Hand. Matthew kniete sich neben die Wanne, das schwarze Haar straff aus der Stirn gestrichen und mit klatschnassen, blutigen Anziehsachen. Er drehte mein Gesicht zu sich hin und betrachtete mich mit einer Mischung aus wütendem Beschützerinstinkt und Stolz.
»Du bist im August geboren, nicht wahr? Im Sternzeichen des Löwen?« Plötzlich klang er rein französisch, sein Oxford-Akzent hatte sich in Luft aufgelöst.
Ich nickte.
»Dann werde ich dich fortan meine Löwin nennen müssen, denn nur eine Löwin kann so kämpfen wie du. Aber selbst la lionne braucht Schutz.« Sein Blick zuckte zu meinem rechten Arm. Ich umklammerte den Wannenrand so fest, dass die Wunde wieder zu bluten begonnen hatte. »Dein Knöchel ist verstaucht, aber nicht ernsthaft verletzt. Ich werde ihn später verbinden. Erst will ich deinen Rücken und deinen Arm versorgen.«
Matthew hob mich aus der Wanne, stellte mich ab und warnte mich, den rechten Fuß möglichst nicht zu belasten. Marthe und Ysabeau stützten mich, bis er mir die Leggings und die Unterwäsche vom Leib geschnitten hatte. Die Vampire behandelten alle körperlichen Dinge mit einer solchen Selbstverständlichkeit, dass es mir eigenartig wenig ausmachte, praktisch nackt vor ihnen zu stehen. Matthew hob meinen
durchtränkten Pullover vorn an und enthüllte einen dunkellila Streifen, der sich quer über meinen Unterleib zog.
»Mein Gott«, sagte er und legte einen Finger auf das fleckige Fleisch über meinem Schambein. »Wie zum Teufel hat sie das angestellt?«
»Die Nerven sind mit Satu durchgegangen.« Meine Zähne begannen wieder zu klappern, sobald ich mich daran erinnerte, wie ich nach dem scharfen Schmerz durch die Luft geflogen war. Matthew steckte das Handtuch um meine Taille fest.
»Ziehen wir den Pullover aus«, beschloss er grimmig. Er trat hinter mich, und gleich darauf spürte ich kaltes Metall an meinem Rücken.
»Was machst du da?«
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