Seelen der Nacht
durch die Küche mit Blicken.
»Wahrscheinlich hast du recht«, gab sie sich missmutig geschlagen, als die lautlose Schlacht entschieden war. »Allerdings hättest du uns
sagen sollen, dass du die Kunst des Hexenfeuers beherrschst, Diana. Das ist nicht gerade eine weit verbreitete Fähigkeit.«
»Ich beherrsche überhaupt nichts.« Plötzlich spürte ich, wie erschöpft ich war, und wollte nicht mehr stehen. Meine Beine waren derselben Meinung und knickten ein.
»Nach oben.« Matthews Tonfall duldete keine Widerrede. »Wir führen das Gespräch oben weiter.«
Im Elternschlafzimmer gab mir Matthew erst eine Dosis Schmerzmittel und Antibiotika und steckte mich dann ins Bett. Dann klärte er meine Tanten über Satus Zeichnung auf. Tabitha ließ sich währenddessen dazu herab, auf meinen Füßen Platz zu nehmen, wo sie Matthews Stimme näher war.
»Das Zeichen, das Satu auf Dianas Rücken hinterlassen hat, ist das einer… Organisation, die meine Familie vor vielen Jahren gegründet hat. Nur wenige können sich daran erinnern, und wer sie noch kennt, glaubt, dass sie längst nicht mehr existiert. Wir würden diese Illusion gern aufrechterhalten. Mit dem Stern und dem Mond hat Satu eure Nichte als mein Eigentum gebrandmarkt und klargestellt, dass die Hexen unser Familiengeheimnis kennen.«
»Hat diese Geheimorganisation auch einen Namen?«, fragte Sarah.
»Du brauchst ihnen nicht alles zu erzählen, Matthew.« Ich fasste nach seiner Hand. Es konnte gefährlich werden, wenn er zu viel über die Lazarusritter verriet. Ich konnte spüren, wie die Gefahr gleich einer dunklen Wolke um mich waberte, und ich wollte keinesfalls, dass sich diese Wolke auch über Sarah und Em legte.
»Die Ritter des Lazarus von Bethanien.« Er sagte das ganz schnell, als hätte er Angst, dass ihn im letzten Moment der Mut verlassen könnte. »Es ist ein alter Ritterorden.«
Sarah schnaubte. »Nie davon gehört. Sind die so was wie die Knights of Columbus? Die haben eine Ortsgruppe in Oneida.«
»Eigentlich nicht.« Matthews Mundwinkel zuckten. »Die Lazarusritter gab es schon während der Kreuzzüge.«
»Haben wir nicht neulich eine Sendung über die Kreuzzüge gesehen, in der es um so einen Ritterorden ging?«, fragte Em Sarah.
»Die Tempelritter. Aber die ganzen Verschwörungstheorien sind Quatsch. Es gibt keine Tempelritter mehr«, verkündete Sarah entschlossen.
»Angeblich gibt es auch keine Hexen und Vampire, Sarah«, merkte ich an.
Matthew fasste nach meinem Handgelenk und legte die kühlen Finger auf meinen Puls.
»Dieses Gespräch ist vorerst beendet«, beschloss er. »Wir können uns später darüber unterhalten, ob es die Lazarusritter gibt oder nicht.«
Matthew schob Em und Sarah, die nur widerwillig gingen, aus dem Zimmer. Sobald meine Tanten auf dem Flur waren, nahm das Haus die Angelegenheit selbst in die Hand und schloss die Tür. Der Riegel kratzte gegen den Rahmen.
»Ich habe keinen Schlüssel für das Zimmer!«, rief Sarah Matthew zu.
Ohne ihr auch nur zu antworten, kletterte Matthew aufs Bett und zog mich in seinen Arm, sodass mein Kopf auf seiner Brust zu liegen kam. Jedes Mal, wenn ich etwas sagen wollte, brachte er mich mit einem »Psst« zum Schweigen.
»Später«, wiederholte er mehrmals.
Sein Herz schlug einmal und dann, Minuten später, wieder.
Ehe es zum dritten Mal schlagen konnte, schlief ich tief und fest.
33
D ie Erschöpfung in Kombination mit den Medikamenten und dem Gefühl, wieder zu Hause zu sein, ließ mich stundenlang schlafen. Als ich aufwachte, lag ich auf dem Bauch, ein Knie angezogen und einen Arm ausgestreckt, und tastete sofort vergeblich nach Matthew.
Weil ich noch zu benommen war, um mich aufzusetzen, drehte ich den Kopf zur Tür. Im Schloss steckte ein großer Schlüssel, und im Gang war leises Gemurmel zu hören. Das Gemurmel wurde umso deutlicher, je weiter die Schlaftrunkenheit sich zurückzog und je wacher ich wurde.
»Mir will das einfach nicht in den Kopf«, ereiferte sich Matthew. »Wie konntet ihr sie so ahnungslos lassen?«
»Wir wussten nicht, über wie viel Macht sie verfügt – jedenfalls nicht genau«, wehrte sich Sarah genauso wütend. »Dass sie anders sein würde, überrascht bei diesen Eltern niemanden. Aber Hexenfeuer hätte ich von ihr nicht erwartet.«
»Wie hast du erkannt, dass sie ein Hexenfeuer entfachen wollte, Emily?« Matthew klang wieder sanfter.
»Als ich noch ein Kind war, hat eine Hexe auf Cape Cod eines heraufbeschworen. Sie war damals
Weitere Kostenlose Bücher