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Seelen der Nacht

Seelen der Nacht

Titel: Seelen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Harkness
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Treppenabsatz.

    »Was ist mit mir los?«, wollte ich wissen.
    Emily floh unter Sarahs schützenden Arm. »Nichts ist mit dir los.«
    »Du hast gesagt, ich stehe unter einem Bannfluch. Den meine eigene Mutter ausgesprochen hat.« Ich war eine Art Monster. Eine andere Erklärung gab es nicht.
    Em hörte meine Gedanken, als hätte ich sie laut ausgesprochen. »Du bist kein Monster, Schätzchen. Rebecca hat dich mit einem Bann belegt, weil sie Angst um dich hatte.«
    »Angst vor mir , meinst du wohl.« Meine blauen Finger stellten einen hervorragenden Grund dar, sich zu fürchten. Ich versuchte sie zu verstecken, andererseits wollte ich Matthews Hemd nicht versengen, und wenn ich die Hand auf dem Holzgeländer der Treppe ablegte, riskierte ich, das ganze Haus in Brand zu setzen.
    Pass auf den Teppich auf, Mädchen! Der große weibliche Geist, der mir unten in der Wohnstube erschienen war, linste hinter Sarah und Ems Tür hervor und deutete aufgeregt auf den Boden. Ich hob die Zehen an.
    »Niemand fürchtet sich vor dir.« Matthew starrte mit frostiger Intensität auf meinen Rücken, als wollte er mich zwingen, ihn anzusehen.
    »Die beiden schon.« Ich zielte mit einem funkensprühenden Finger auf meine Tanten, ohne den Blick von ihnen zu wenden.
    Ich auch, gestand ein weiterer toter Bishop, diesmal ein Teenager mit leicht vorstehenden Zähnen. Er trug einen Korb mit Beeren und hatte eine zerfetzte Reithose an.
    Unter meinem ungnädigen Blick wichen meine Tanten einen Schritt zurück.
    »Du hast jedes Recht, frustriert zu sein.« Matthew kam immer näher, bis er hinter mir stand. Der Wind steigerte sich, und sein Schneeflockenblick huschte über meine Schenkel. »Jetzt kommt der Hexenwind auf, weil du dich in die Enge getrieben fühlst.«
    Ich vergaß vorübergehend meinen Bannfluch und drehte mich um, weil ich ihn genauer zu seinen Theorien befragen wollte. Schon jetzt wich die Farbe aus meinen Fingern, und das Knistern schwächte sich ab.
    »Du musst versuchen, das zu verstehen«, beschwor mich Em. »Rebecca und Stephen sind nach Afrika gefahren, um dich zu beschützen. Aus dem gleichen Grund haben sie dich mit einem Bannfluch belegt. Sie wollten nur, dass dir nichts passiert.«
    Das Haus stöhnte in seinem Gebälk auf und hielt den Atem an, bis die alten Pfeiler ächzten.
    Kälte breitete sich in mir aus.
    »Also bin ich schuld, dass sie gestorben sind? Sie sind meinetwegen nach Afrika gefahren und wurden dort ermordet?« Entsetzt sah ich Matthew an.
    Ich wartete die Antwort gar nicht erst ab, sondern stürmte auf die Treppe zu, ohne mich um die Schmerzen in meinem Knöchel zu scheren. Ich wollte nur noch weg.
    »Nein, Sarah. Lass sie!«, rief Matthew scharf.
    Das Haus öffnete mir alle Türen und knallte sie hinter mir zu, während ich durch den Flur, das Esszimmer und das Familienzimmer in die Küche raste. Ein Paar von Sarahs Gartenstiefeln rutschte kühl und glatt über meine Füße. Sobald ich aus dem Haus war, tat ich, was ich immer getan hatte, wenn mir die Familie über den Kopf wuchs, und floh in den Wald.
    Erst als ich die zauseligen Apfelbäume hinter mir gelassen hatte und im Schatten der uralten Weißeichen und Vogelaugenahornbäume angekommen war, wurden meine Schritte langsamer. Völlig außer Atem, unter Schock und vor Erschöpfung schlotternd, sank ich am Fuß eines riesigen Baumes nieder, der fast so breit wie hoch war. Die niedrigen, weiten Äste hingen beinahe bis auf den Boden, und die tief gelappten, teils roten, teils violetten Blätter zeichneten sich scharf von der aschgrauen Borke ab. Meine ganze Kindheit und Jugend hindurch hatte ich mich in Liebesleid oder Einsamkeit unter seine tiefen Äste geflüchtet. Generationen von Bishops hatten vor mir hier Trost gesucht und ihre Initialen in die Rinde geritzt. Meine hatte ich mit einem Taschenmesser neben das »RB« gekerbt, das meine Mutter hinterlassen hatte und dessen Rundungen ich jetzt nachfuhr, bevor ich am Fuß des Stammes die Beine an die Brust zog und mich wie ein Kind vor und zurück wiegte.
    Ich spürte eine kühle Berührung an meinen Haaren, dann legte sich der blaue Parka über meine Schultern. Matthews Rücken schabte am Baumstamm abwärts, und sein massiger Körper sank zu Boden.
    »Haben sie dir erzählt, was mit mir los ist?« Ich drückte die Lippen in den Stoff meiner Hose.
    »Mit dir ist gar nichts los, mon cœur. «
    »Du musst noch eine Menge über uns Hexen lernen.« Ich legte das Kinn auf die Knie, wollte ihn aber noch

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