Seelen der Nacht
Lichtschalter gegen die Wand geknallt und dann auf den Boden gerutscht. Als ich ihn nicht sofort aufgehoben habe, ist er quer durchs Zimmer geflogen und in meinem Schoß gelandet.«
Ich lachte, während sich seine Finger um meine Taille schlossen. Den Zeichen, mit denen Satu mich gebrandmarkt hatte, wich er penibel aus.
»Du hast deine Kriegsverletzungen«, sagte ich, um ihn zu besänftigen. »Jetzt habe ich auch welche.«
Seine Lippen suchten in der Dunkelheit nach meinen. Eine Hand schob sich über meinen Rücken und legte sich über den Sichelmond. Die andere wanderte zwischen meine Schulterblätter und löschte den Stern aus. Man brauchte keine magischen Fähigkeiten, um seinen Schmerz und seine tiefe Reue zu verstehen. Ich spürte beides auch so – in seiner sanften Berührung, den im Dunkeln gemurmelten Worten, in seinem Körper, der so fest neben meinem lag. Ganz langsam ließ er die schlimmsten Ängste und seinen Zorn los. Wir berührten uns mit den Fingern und mit dem Mund, und unsere anfängliche Hektik verlangsamte sich, weil wir die Vereinigung möglichst lange auskosten wollten.
Auf dem Gipfel meiner Lust begann es Sterne zu regnen. Ein paar davon blieben unter der Decke hängen, wo sie funkelnd und flackernd ihr kurzes Leben beendeten, während wir einander in den Armen lagen und darauf warteten, dass der Morgen uns fand.
34
N och vor Sonnenaufgang setzte Matthew einen Kuss auf meine Schulter und schlich nach unten. Meine Muskeln fühlten sich verspannt an, so als wären sie gleichzeitig verhärtet und schlaff. Schließlich quälte ich mich aus dem Bett und ging ihn suchen.
Stattdessen fand ich Sarah und Em. Sie standen, jeweils eine dampfende Tasse Kaffee in der Hand, an dem großen Fenster und blickten auf den Garten. Ich warf einen kurzen Blick über ihre Schultern und ging dann den Kessel aufsetzen. Matthew konnte warten – der Tee nicht.
»Was beobachtet ihr da?«
»Matthew.«
Ich taumelte mehrere Schritte zurück.
»Er ist schon stundenlang da draußen. Und ich glaube nicht, dass er sich seither bewegt hat. Eben ist ein Rabe an ihm vorbeigeflogen. Der wird sich wohl ein Nest auf ihm bauen«, fuhr Sarah ungerührt fort und nahm einen Schluck Kaffee.
Matthew stand da, die Füße fest auf dem Boden, beide Arme seitwärts ausgestreckt und Daumen und Zeigefinger zu einem Kreis geschlossen. In seinem grauen T-Shirt und der schwarzen Yogahose sah er tatsächlich aus wie eine mächtige, gut gekleidete Vogelscheuche.
»Müssen wir uns Sorgen um ihn machen? Er hat nichts an den Füßen.« Em beäugte Matthew über den Rand ihrer Kaffeetasse hinweg. »Er muss halb erfroren sein.«
»Vampire verbrennen, Em. Sie erfrieren nicht. Er wird schon ins Haus kommen, wenn er fertig ist.«
Nachdem das Wasser gekocht hatte, machte ich mir Tee und stellte mich dann zu meinen Tanten, um Matthew zu beobachten. Bei meiner
zweiten Tasse senkte er endlich die Arme und knickte an der Taille nach vorn ab. Sarah und Em traten hastig vom Fenster zurück.
»Er weiß, dass wir ihn beobachtet haben. Er ist ein Vampir, vergesst das nicht.« Lachend zerrte ich Sarahs Stiefel über meine Wollsocken und die ausgeleierten Leggings und stapfte nach draußen.
»Danke für deine Geduld«, sagte Matthew, nachdem er mich in die Arme geschlossen und mir einen innigen Gutenmorgenkuss gegeben hatte.
Ich hielt immer noch meinen Teebecher in der Hand und musste mich konzentrieren, damit ich ihm keinen Tee über den Rücken goss. »Nur in der Meditation findest du Ruhe. Ich werde dich bestimmt nicht dabei stören. Wie lange bist du schon hier draußen?«
»Seit Sonnenaufgang. Ich brauchte Zeit zum Nachdenken.«
»Das ist das Haus. Da drin passiert zu viel, reden zu viele Stimmen.« Es war kühl, und ich kuschelte mich in mein Sweatshirt mit dem verblichenen braunen Luchs auf dem Rücken.
Matthew legte einen Finger auf die dunklen Ringe unter meinen Augen. »Du bist immer noch erschöpft. Etwas Yoga könnte dir auch nicht schaden, weißt du?«
Ich hatte unruhig geschlafen und mich in meinen Träumen mit Fetzen aus alchemistischen Gedichten und gemurmelten Tiraden gegen Satu herumgeschlagen. Selbst meine Großmutter hatte sich Sorgen gemacht. Sie hatte mit wachsamer Miene an der Kommode gelehnt, während Matthew mich beruhigt hatte, bis ich wieder eingeschlafen war.
»Ich darf eine Woche lang kein Yoga machen.«
»Und du gehorchst deiner Tante, wenn sie solche Regeln aufstellt?« Matthews Braue hob sich zu einem
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