Seelen der Nacht
verhexten Objekts angemessene Vorsicht walten, indem sie wie angewachsen auf ihrem Platz blieben.
»Wir glauben, dass die Frau in Weiß du sein sollst, Diana. Bei dem dunklen Mann sind wir uns weniger sicher. Ich habe ihn in deinen Träumen gesehen, doch er ist schwer einzuordnen. Er wandelt durch deine Zukunft, ist aber auch in der Vergangenheit zu sehen. Er ist immer im Schatten und nie im Licht. Und obwohl er gefährlich ist, droht dir von diesem Schattenmann keine Gefahr. Ist er jetzt bei dir? Ich hoffe es. Ich wünschte, ich hätte ihn kennenlernen können. Ich hätte ihm gern so vieles über dich erzählt. « Bei den letzten Worten kam Matthew ins Stocken.
»Wir hoffen, dass ihr beide die Quelle dieses Bildes finden werdet. Dein Vater glaubt, dass es aus einem alten Buch stammt. Manchmal sehen wir, wie Worte über die Rückseite des Blattes ziehen, aber zwischendurch verschwindet der Text wochen- oder sogar monatelang. «
Sarah sprang aus ihrem Stuhl auf. »Gib mir das Bild.«
»Es stammt aus dem Buch, von dem ich euch erzählt habe. Dem aus Oxford.« Widerstrebend gab ich es ihr.
»Es fühlt sich so schwer an«, sagte sie und trat stirnrunzelnd damit ans Fenster. Sie drehte das Bild um und hielt die Seite mal mehr, mal weniger schräg. »Aber ich kann keine Worte erkennen. Natürlich ist das kein Wunder. Falls die Seite aus dem Buch entfernt wurde, zu dem sie gehört, wurde der Zauber dabei schwer beschädigt.«
»Haben sich darum die Worte, die ich sehen konnte, so schnell bewegt?«
Sarah nickte. »Wahrscheinlich. Sie suchten nach dieser Seite und konnten sie nicht finden.«
»Seiten.« Dieses Detail hatte ich Matthew bis dahin verschwiegen.
»Was heißt Seiten?« Matthew kam hinter dem Stuhl hervor, und sein Blick belegte mein Gesicht mit winzigen Eisscherben.
»Es ist nicht die einzige Seite, die in Ashmole 782 fehlt.«
»Wie viele wurden entfernt?«
»Drei«, flüsterte ich. »Drei Seiten fehlten vorn in der Handschrift. Ich konnte erkennen, wo sie herausgetrennt worden waren. Damals schien mir das nicht weiter wichtig zu sein.«
»Drei«, wiederholte Matthew mit völlig flacher Stimme, als würde er gleich etwas mit bloßen Händen zerbrechen.
»Was macht es für einen Unterschied, ob drei Seiten fehlen oder dreihundert?« Sarah versuchte immer noch die verborgenen Wörter auszumachen. »Der Zauber ist so oder so gebrochen.«
»Es gibt drei Arten von magischen Geschöpfen.« Matthew legte die Fingerspitzen an meine Wange, um mir zu zeigen, dass er nicht auf mich wütend war.
»Und wenn wir eine der Seiten haben…«, setzte ich an.
»Wer hat dann die anderen?«, vollendete Em den Satz für mich.
»Verfluchte Hölle, warum hat uns Rebecca nie etwas von alldem erzählt?« Auch Sarah klang, als wollte sie am liebsten etwas kaputtschlagen. Emily nahm ihr das Bild aus der Hand und legte es vorsichtig auf einem antiken Teetischchen ab.
Matthew las weiter. »Dein Vater sagt, wir werden eine lange Reise unternehmen müssen, um die Geheimnisse des Textes zu entschlüsseln. Mehr will ich nicht sagen, aus Angst, dass dieser Brief in falsche Hände geraten könnte. Aber ich weiß, dass du Bescheid wissen wirst. «
Er reichte mir das Blatt und nahm das nächste. »Das Haus hätte dir diesen Brief nicht ausgehändigt, wenn du nicht bereit wärst. Also weißt du inzwischen auch, dass dein Vater und ich dich mit einem Bann belegt haben. Sarah wird außer sich vor Wut sein, aber das war die einzige Möglichkeit, dich vor der Kongregation zu beschützen, bis der Schattenmann dich fand. Er wird dir mit deiner Magie helfen. Sarah wird behaupten, dass ihn das nichts angeht, weil er kein Bishop ist. Hör nicht auf sie. «
Sarah schnaubte und versuchte den Vampir mit Blicken zu erdolchen.
»Weil du ihn lieben wirst wie keinen Zweiten, habe ich deine Magie an deine Gefühle für ihn geknüpft. Trotzdem wirst nur du allein fähig sein, sie ans Licht zu bringen. Bitte verzeih mir die Panikattacken. Eine andere Lösung fiel mir einfach nicht ein, dich ein wenig zu bändigen. Manchmal bist du mutiger, als gut für dich ist. Viel Glück beim Erlernen der Hexensprüche – Sarah ist Perfektionistin. «
Matthew lächelte. »Deine Ängste waren immer irgendwie merkwürdig.«
»Inwiefern merkwürdig?«
»Nachdem wir uns in der Bibliothek kennengelernt hatten, war es praktisch unmöglich, dich in Panik zu versetzen.«
»Aber ich geriet sehr wohl in Panik, als du bei den Bootshäusern aus dem Nebel getreten
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