Seelen der Nacht
er etwas probieren wollte, aber Matthew lehnte jedes Mal ab.
»Ich bin nicht hungrig, Emily, aber vielen Dank.«
»Gibt es überhaupt etwas, das du essen würdest ?« Em war es nicht gewohnt, dass jemand ihr Essen verweigerte.
»Nüsse«, verkündete ich. »Wenn du ihm um jeden Preis etwas zu essen besorgen willst, dann kauf ihm Nüsse.«
Em zögerte. »Und was ist mit rohem Fleisch?«
Bevor ich darauf antworten konnte, nahm Matthew meine Hand und drückte sie. »Wenn du mir etwas zu essen geben möchtest, dann am liebsten rohes Fleisch. Brühe mag ich übrigens auch – reine Brühe ohne Gemüse.«
»Essen das dein Sohn und deine Kollegin auch, oder sind das einfach nur deine Lieblingsspeisen?«
Jetzt ging mir auf, warum Matthew so ungeduldig reagiert hatte, als ich ihn nach seiner Lebensweise und seinen Essgewohnheiten gefragt hatte.
»Das essen wir Vampire meistens, wenn wir uns unter Warmblütern
aufhalten.« Matthew gab meine Hand frei und schenkte sich noch mehr Wein ein.
»Wenn du Wein und Nüsse magst, gehst du bestimmt gern in Bars«, sagte Sarah ernst.
Em legte ihre Gabel ab und starrte sie an.
»Was ist?«, wollte Sarah wissen.
»Sarah Bishop, wenn du uns vor Matthews Sohn blamierst, werde ich dir das nie verzeihen.«
Mein Kichern steigerte sich schnell zu einem ausgewachsenen Lachanfall. Sarah stimmte als Erste mit ein, gefolgt von Em. Matthew saß lächelnd daneben, als hielte er uns für irre, sei aber zu höflich, um das auszusprechen.
Als wir uns wieder gefasst hatten, wandte er sich an Sarah. »Ich habe mich gefragt, ob ihr mir euer Kräuterlabor überlassen könntet, damit ich die Pigmente in dem Bild der chemischen Vermählung analysieren kann. Vielleicht finden wir dadurch heraus, wann und wo es gemalt wurde.«
»Du wirst auf keinen Fall irgendetwas von dem Bild entfernen.« Der Historikerin in mir graute vor diesem Gedanken.
»Es wird nicht beschädigt«, versicherte mir Matthew nachsichtig. »Ich weiß sehr wohl, wie man winzigste Beweisstücke analysiert.«
»Nein! Wir sollten es in Ruhe lassen, bis wir wissen, womit wir es zu tun haben.«
»Stell dich nicht so an, Diana. Außerdem ist es dafür ein bisschen spät, schließlich hast du das Buch damals zurückgegeben.« Sarah stand auf, und ihre Augen leuchteten. »Mal sehen, ob uns das Kochbuch helfen kann.«
»So, so«, kommentierte Em halblaut. »Jetzt gehörst du wirklich zur Familie, Matthew.«
Sarah verschwand in die Rezeptur und kehrte mit einem ledergebundenen Folianten in der Größe einer Familienbibel zurück. Zwischen diesen Buchdeckeln, seit beinahe vierhundert Jahren von Hexe zu Hexe weitergegeben, waren die gesammelten Erfahrungen und alle Familiensagen der Bishops zu finden. Der erste Name im Buch lautete
Rebecca, und daneben stand in zierlicher, weiblicher Schrift die Jahreszahl 1617. Darunter folgten zwei Spalten mit weiteren Namen, jeder in leicht veränderter Handschrift und mit einem anderen Datum versehen. Die Namensliste setzte sich auf der Rückseite fort und bestand größtenteils aus Susannahs, Elizabeths, Margarets, Rebeccas und Sarahs. Meine Tante zeigte dieses Buch niemandem – nicht einmal anderen Hexen. Man musste zur Familie gehören, damit sie ihr Kochbuch herausholte.
»Was ist das, Sarah?« Matthews Nasenflügel sogen bebend den Geruch von altem Papier, Kräutern und Rauch auf, der von den Seiten aufstieg, sobald meine Tante das Buch öffnete.
»Das Zauberbuch der Bishops.« Sie deutete auf den ersten Namen. »Ursprünglich gehörte es Rebecca Davis, Bridget Bishops Großmutter, und dann Bridgets Mutter Rebecca Playfer. Bridget sollte das Buch später weitergeben an ihre älteste und uneheliche Tochter, die 1650 in England geboren wurde. Bridget war damals noch ein junges Mädchen und taufte ihre Tochter nach ihrer Mutter und Großmutter. Weil sie nicht für das Kind sorgen konnte, gab Bridget das Mädchen an eine Londoner Familie ab.« Sarah schnaubte leise. »Bis an ihr Lebensende hatte sie deswegen einen schlechten Ruf. Später kehrte ihre Tochter Rebecca zu ihr zurück und arbeitete in der Taverne ihrer Mutter. Bridget war inzwischen zum zweiten Mal verheiratet und hatte eine weitere Tochter namens Christiane.«
»Und du stammst von dieser Christiane Bishop ab?«, fragte Matthew.
Sarah schüttelte den Kopf. »Nein, wir sind Rebeccas Nachkommen. Nachdem Bridget hingerichtet worden war, änderte Rebecca ihren Namen rechtmäßig in Bishop. Rebecca war Witwe, weshalb kein Ehemann
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