Seelen der Nacht
einen teuer wirkenden dunkelgrauen Nadelstreifenanzug, der ihm auf den Leib geschneidert war, dazu ein hellrosa Hemd mit silbernen Manschettenknöpfen und eine fuchsienrote Krawatte mit winzigen schwarzen Fliegen darauf. »Bin ich. Hallo, Hamish. Erwartet Matthew Sie?« Ich trat beiseite, um ihn ins Haus zu lassen.
»Wahrscheinlich nicht«, antwortete Hamish knapp und ohne einen Schritt vorwärts zu machen. »Wo ist er?«
»Hamish.« Ich hatte den Luftzug gespürt, ehe ich ihn kommen hörte. Er streckte die Hand aus. »Das nenne ich eine Überraschung.«
Hamish starrte auf die ausgestreckte Hand und sah den Besitzer dann mit zusammengekniffenen Augen an. »Überraschung? Lass uns gleich weiter über Überraschungen reden. Als ich deiner … Familienfirma beigetreten bin, hast du mir geschworen, dass es niemals hierzu kommen würde.« Er zückte einen Umschlag mit aufgebrochenem schwarzem Siegel.
»Stimmt.« Matthew ließ die Hand sinken und sah Hamish argwöhnisch an.
»So viel gelten deine Versprechen also. Soweit ich aus diesem Brief und aus meinen Gesprächen mit deiner Mutter ersehen kann, gibt es Schwierigkeiten.« Hamishs Blick zuckte kurz zu mir herüber und richtete sich dann wieder auf Matthew.
»Ja.« Matthews Lippen spannten sich. »Aber du bist der neunte Ritter. Du musst dich nicht einmischen.«
»Du hast einen Dämon zum neunten Ritter geschlagen?« Miriam war mit Nathaniel aus dem Esszimmer gekommen.
»Wer ist das?« Nathaniel schüttelte Scrabblesteinchen in der hohlen Hand, während er den Neuankömmling in Augenschein nahm.
»Hamish Osborne. Und mit wem habe ich die Ehre?«, fragte Hamish, als hätte er es mit einem impertinenten Dienstboten zu tun. Wenn wir etwas nicht brauchten, dann noch mehr Testosteron im Haus.
»Ach, ich bin niemand«, sagte Nathaniel schnoddrig, lehnte sich in den Türrahmen zum Esszimmer und beobachtete, wie Marcus sich an ihm vorbeischob.
»Warum bist du hier, Hamish?« Marcus sah ihn verdutzt an und dann auf den Brief. »Ach so.«
Meine Vorfahren versammelten sich in der Stube, und das Haus knirschte in den Fundamenten. »Könnten wir drinnen weiterreden? Das Haus will es so, müssen Sie verstehen. Es ist ein bisschen nervös, schließlich sind Sie ein Dämon – und wütend.«
»Komm, Hamish.« Matthew versuchte ihn von der Haustür wegzuziehen. »Noch haben Marcus und Sarah den Whiskyvorrat nicht aufgebraucht. Wir besorgen dir was zu trinken, dann kannst du dich vor den Kamin setzen.«
Hamish blieb stehen und redete weiter.
»Ich habe deine Mutter besucht, die meine Fragen wesentlich bereitwilliger beantwortet hat, als du es getan hättest, und dabei habe ich erfahren, dass du ein paar Sachen von zu Hause brauchst. Ich hielt es für sträflich, Alain eine so lange Reise antreten zu lassen, wo ich sowieso herkommen wollte, um dich zu fragen, was du verflucht noch mal im Schilde führst.« Er hob erst eine dicke Aktentasche aus weichem Leder und mit Ehrfurcht gebietendem Schloss hoch, dann einen kleineren Aktenkoffer.
»Vielen Dank, Hamish.« Matthew klang höflich, trotzdem war ihm anzuhören, wie sehr es ihm missfiel, dass jemand seine Anweisungen eigenmächtig abgeändert hatte.
»Und wo wir gerade von Erklärungen reden – du kannst von Glück reden, dass sich die Franzosen nicht um die Ausfuhr englischer Nationalschätze scheren.«
Matthew nahm Hamish den Aktenkoffer aus der Hand, packte seinen
Freund am Ellbogen und zog ihn ins Haus. »Später«, sagte er eilig. »Marcus, du machst Hamish mit Dianas Familie bekannt, während ich das wegpacke.«
»Ach, du bist es«, rief Sophie fröhlich und trat aus dem Esszimmer. Ihr Bauch zeichnete sich unübersehbar unter einem zum Zerreißen gespannten Sweatshirt der University of North Carolina ab. »Du bist wie Nathaniel, nicht so zerstreut wie ich. Dein Gesicht ist auch auf einem Topf von mir.« Sie strahlte Hamish an, der gleichzeitig verstört und betört wirkte.
»Sind hier noch mehr?«, fragte er mich und legte dabei den Kopf schief, wodurch er aussah wie ein kleiner Vogel mit glänzenden Augen.
»Viel mehr«, bestätigte Sophie gut gelaunt. »Allerdings wirst du sie nicht sehen.«
»Kommen Sie, ich stelle Sie meinen Tanten vor«, sagte ich hastig.
»Den Hexen?« Ich hatte keine Ahnung, was Hamish dachte. Seinen scharfen Augen entging nichts, und seine Miene wirkte fast so teilnahmslos wie Matthews.
»Ja, den Hexen.«
Matthew verschwand mit dem Aktenkoffer nach oben, während Marcus und
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