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Seelen der Nacht

Seelen der Nacht

Titel: Seelen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Harkness
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großzügig gezeigt, als ich um eine Unterkunft gebeten hatte. Mich persönlich zu bedanken war das Mindeste, was ich tun konnte. Meine professionellen Ansprüche an mich selbst begannen die Ängste zu verdrängen, die Gillian aufgerührt hatte. Und mich an meine Identität als Gelehrte klammernd wie an einen Rettungsring, beschloss ich, die Einladung anzunehmen.
    Ich zog mich um, dann ging ich zu Marshs Apartment und läutete. Ein Angestellter des Colleges öffnete mir die Tür, bat mich herein und führte mich in den Salon.
    »Hallo, Dr. Bishop.« Von Nicholas Marshs blauen Augen strahlten freundliche Falten aus, und mit seinem schneeweißen Haar und den vollen roten Wangen sah er aus wie Santa Claus. Besänftigt durch seine warmherzige Begrüßung und mit dem Gefühl professioneller Pflichterfüllung gewappnet, erwiderte ich sein Lächeln.
    »Professor Marsh.« Ich ergriff seine Hand. »Vielen Dank für die Einladung.«
    »Die war schon lange überfällig. Ich war in Italien, müssen Sie wissen.«
    »Ja, das hat mir der Schatzmeister erzählt.«
    »Dann haben Sie mir hoffentlich vergeben, dass ich Sie so lange vernachlässigt habe«, sagte er. »Hoffentlich kann ich das wiedergutmachen, indem ich Sie einem alten Freund von mir vorstelle, der ein paar Tage in Oxford weilt. Er ist ein bekannter Autor und beschäftigt sich mit Themen, die auch Sie interessieren könnten.«
    Marsh trat zur Seite und gab den Blick auf einen dicken Kopf mit braunen, grau melierten Haaren sowie auf einen braunen Tweedärmel frei. Ich erstarrte verdattert.
    »Darf ich Sie mit Peter Knox bekannt machen?« Marsh nahm mich sanft beim Ellbogen. »Er ist mit Ihrer Arbeit vertraut.«
    Der Hexer stand auf. Endlich begriff ich, was ich übersehen hatte.
Knox’ Name war in dem Zeitungsartikel über die Vampirmorde erwähnt worden. Er war der Experte, den die Polizei hinzuzog, wenn es bei einem Todesfall Anhaltspunkte für einen okkultistischen Hintergrund gab. Meine Finger begannen zu jucken.
    »Dr. Bishop.« Knox streckte mir die Hand entgegen. »Wir haben uns bereits in der Bodleian gesehen.«
    »Ja, das glaube ich auch.« Ich streckte ebenfalls die Hand aus und war froh, dass sie keine Funken sprühte. Wir beschränkten den Händedruck auf das Nötigste.
    Seine rechten Fingerspitzen zuckten unauffällig. Es erinnerte mich daran, wie in meiner Kindheit die Hände meiner Mutter gezuckt und sich gekrümmt hatten, um Pfannkuchen zu produzieren oder Wäsche zu falten. Ich schloss die Augen und wappnete mich gegen einen Ansturm von Magie.
    Das Telefon läutete.
    »Ich fürchte, diesen Anruf muss ich annehmen«, entschuldigte sich Marsh. »Aber bitte setzen Sie sich doch.«
    Ich setzte mich so weit weg von Knox wie nur möglich und landete dadurch auf einem Holzstuhl mit steifer Lehne, der ansonsten unbotmäßigen Studenten des Colleges vorbehalten war.
    Knox und ich schwiegen, während Marsh in den Hörer murmelte. Dann drückte er einen Knopf am Apparat und kam auf mich zu, ein Glas Sherry in der Hand. »Das war der Vizekanzler. Zwei Frischlinge werden vermisst.« So wurden an der Universität inoffiziell die neuen Studenten genannt. »Bitte fühlen Sie sich wie zu Hause, während ich in meinem Arbeitszimmer die Angelegenheit zu regeln versuche. Bitte entschuldigen Sie mich.«
    In der Ferne gingen Türen auf und zu, und aus dem Flur war gedämpftes Gemurmel zu hören, bevor es still wurde.
    »Vermisste Studenten?«, fragte ich trocken. Mit Sicherheit hatte Knox durch einen magischen Kniff sowohl die Krise ausgelöst als auch den Anruf heraufbeschworen, der Marsh aus dem Zimmer gelockt hatte.
    »Ich verstehe Sie nicht, Dr. Bishop«, murmelte Knox. »Wenn zwei
junge Studenten verschwinden, ist das für die Universität bestimmt ein Unglück. Außerdem haben wir dadurch Gelegenheit, uns ungestört zu unterhalten.«
    »Worüber sollten wir uns schon unterhalten?« Ich schnupperte an meinem Sherry und betete, dass Marsh zurückkommen möge.
    »Über vieles.«
    Ich sah zur Tür.
    »Nicholas ist beschäftigt, bis wir fertig sind.«
    »Dann bringen wir die Sache hinter uns, damit Marsh wieder vom Telefon wegkann.«
    »Wie Sie wünschen«, sagte Knox. »Erzählen Sie mir, was Sie nach Oxford geführt hat, Dr. Bishop.«
    »Die Alchemie.« Ich würde seine Fragen beantworten, und sei es nur, damit Marsh wieder ins Zimmer kommen konnte, aber ich würde ihm nur das Nötigste verraten.
    »Sie müssen doch gewusst haben, dass Ashmole 782 verhext ist. Niemandem

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