Seelen der Nacht
Miriam bestimmt als Erleichterung empfunden hatte. Weder Peter Knox noch Gillian Chamberlain hatten sich im Lesesaal blicken lassen, was ich als Erleichterung empfunden hatte. Selbst Matthew wirkte gut gelaunt, als ich den Gang entlangkam, um meine Handschriften zurückzugeben.
An der Radcliffe Camera, unter deren Kuppel die Studenten im Grundstudium über ihren Büchern brüteten, und den mittelalterlichen Mauern des Jesus College vorbei ging ich in die Markthalle zum Einkaufen. Die Einkaufsliste in der Hand, hielt ich zuerst bei einem Metzgereistand, wo ich frisches Wild und einen Hasen kaufte, und ging anschließend zum Fischhändler, um schottischen Lachs zu erstehen.
Aßen Vampire Gemüse?
Dank meines Handys konnte ich in der zoologischen Fakultät anrufen und mich nach den Ernährungsgewohnheiten der Wölfe erkundigen.
Was für Wölfe?, wurde ich gefragt. Ich hatte vor langer Zeit auf einem Studienausflug in den Bostoner Zoo graue europäische Wölfe gesehen, außerdem war Grau Matthews Lieblingsfarbe, darum fiel die Wahl auf sie. Nachdem die gelangweilte Stimme am anderen Ende eine lange Liste leckerer Säugetiere heruntergerasselt und erklärt hatte, dass es sich dabei um die »Lieblingsspeisen« der Wölfe handele, erklärte sie mir, dass Wölfe auch Nüsse, Samen und Beeren äßen. »Aber Sie sollten sie nicht füttern!«, wurde ich gewarnt. »Das sind keine Haustiere!«
»Danke für den Rat.« Ich musste mir Mühe geben, nicht zu kichern.
Der Gemüsehändler verkaufte mir die letzten schwarzen Johannisbeeren des Sommers und ein paar duftende Walderdbeeren. Eine Tüte Maronen landete ebenfalls in meiner schwerer werdenden Einkaufstasche.
Danach ging es in den Weinladen, wo ich der Gnade eines Önologischen Evangelisten ausgeliefert war, der mich als Erstes fragte, ob der »Gentleman sich mit Wein auskennt«. Damit brachte er mich sofort ins Schleudern. Der Verkäufer nutzte meine Verwirrung aus, um mir für den Jahresetat eines Kleinstaates ein paar bemerkenswerte französische und deutsche Weine anzudrehen. Danach verfrachtete er mich in ein Taxi, damit ich mich während der Fahrt zum College von dem Preisschock erholen konnte.
In meinem Apartment befreite ich den zerkratzten Tisch aus dem achtzehnten Jahrhundert, der mir gleichzeitig als Arbeits- und Esstisch diente, von allen Papieren und zerrte ihn dann vor den Kamin. Ich deckte ihn liebevoll mit dem alten Geschirr und Besteck aus meinem Schrank sowie mit zwei schweren Kristallkelchen, Überbleibseln aus einem Set, das Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts für den Gemeinschaftsraum erstanden worden war. Meine loyalen Küchendamen hatten mich mit einem Stapel von frisch gestärktem Leinen ausgestattet, das jetzt teils die Tischplatte bedeckte, teils zusammengefaltet neben dem Besteck lag und teils das verschrammte Tablett verschönerte, mit dem ich das Essen aus der Küche tragen würde.
Sobald ich mit den Vorbereitungen angefangen hatte, begriff ich,
dass man nicht viel Zeit braucht, um für einen Vampir zu kochen. Eigentlich braucht man überhaupt nicht zu kochen.
Um sieben Uhr standen die Kerzen bereit, das Essen war bis auf ein paar letzte Handgriffe fertig, und das Einzige, was noch herzurichten war, war ich.
Meine Garderobe enthielt praktisch nichts, was dem Programmpunkt »Dinner mit einem Vampir« entsprochen hätte. Auf gar keinen Fall würde ich mich in einem Kostüm oder in dem Outfit, das ich bei meinem Besuch bei Professor Marsh getragen hatte, mit Matthew zu Tisch setzen. Schwarze Hosen und Leggings besaß ich im Überfluss, durch die Bank mit mehr oder weniger Lycra versetzt, aber praktisch alle waren mit Tee- oder Fettflecken oder beidem besprenkelt. Schließlich förderte ich eine halbwegs brauchbare schwarze Hose zutage, die allerdings verdächtig nach einem Pyjama-Unterteil aussah, wenn auch einem ziemlich eleganten. Die würde reichen müssen.
In BH und Hose eilte ich ins Bad und zerrte den Kamm durch mein schulterlanges strohblondes Haar. Nicht genug, dass es völlig verknotet war, es provozierte mich zusätzlich, indem es sich bei jeder Berührung durch den Kamm aufstellte. Ich spielte kurz mit dem Gedanken, ihm mit dem Glätteisen zu Leibe zu rücken, aber die Chancen standen gut, dass ich exakt den halben Kopf gebändigt hätte, wenn Matthew auftauchte. Er würde pünktlich auf die Minute vor der Tür stehen. Das war mir klar.
Während ich mir die Zähne putzte, kam ich zu dem Schluss, dass mir nichts anderes übrig
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