Seelen der Nacht
erläutert hatte, eigentlich für Weinflaschen gedacht war. Matthew setzte sich, während ich eine Flasche mit deutschem Riesling entkorkte. Ich schenkte zwei Gläser ein, ohne auch nur einen Tropfen zu verschütten, und setzte mich dann an den Tisch.
Mein Gast hielt das Weinglas unter seine lange Adlernase und versank in tiefer Konzentration. Ich wartete darauf, dass er aus seiner Trance erwachte, und fragte mich währenddessen, wie viele Riechzellen Vampire wohl besaßen, verglichen beispielsweise mit Hunden.
Ich hatte wirklich keine Ahnung von Vampiren.
»Sehr nett«, urteilte er schließlich, öffnete die Augen und lächelte mich an.
»Für den Wein bin ich nicht verantwortlich«, versicherte ich eilig und klatschte mir die Serviette auf den Schoß. »Der Mann im Weingeschäft hat ihn ausgesucht, also gib mir nicht die Schuld, wenn er nicht schmeckt.«
»Sehr nett«, sagte er wieder, »und der Lachs sieht wirklich gut aus.«
Matthew griff nach Messer und Gabel und spießte ein Stück Fisch auf. Während ich ihn unter gesenkten Wimpern hervor beobachtete, um festzustellen, ob er ihn tatsächlich essen würde, piekte ich ein Gurkenstückchen, eine Kaper und etwas Lachs auf meine Gabelzinken.
»Du isst nicht wie eine Amerikanerin«, stellte er nach einem Schluck Wein fest.
»Nein«, bestätigte ich und sah erst auf die Gabel in meiner Linken, dann auf das Messer in meiner Rechten. »Ich nehme an, dazu war ich zu lange in England. Kannst du das wirklich essen?«, platzte es aus mir heraus, weil ich es nicht mehr aushielt.
Er lachte. »O ja, und Räucherlachs mag ich wirklich.«
»Aber du isst nicht alles«, beharrte ich und sah dabei wieder auf meinen Teller.
»Nein«, gab er zu, »aber von den meisten Sachen bringe ich durchaus ein paar Bissen hinunter. Es schmeckt mir nur nicht besonders, wenn es nicht roh ist.«
»Das ist eigenartig, schließlich haben Vampire doch so hoch entwickelte Sinnesorgane. Man sollte meinen, dass für sie jedes Essen fantastisch schmeckt.« Mein Lachs schmeckte so sauber wie frisches Quellwasser.
Er griff nach seinem Weinglas und schaute in die blassgoldene Flüssigkeit.
»Wein schmeckt fantastisch. Dagegen schmeckt alles, was zu Tode gekocht wurde, für einen Vampir widerwärtig.«
Ich ging mein geplantes Menü durch und atmete innerlich auf.
»Aber wenn dir das Essen nicht schmeckt, warum lädst du mich dann immer wieder zum Essen ein?«, fragte ich.
Matthews Blick zuckte über meine Wangen und Augen, bevor er auf meinem Mund zu liegen kam. »Es fällt mir leichter, in deiner Nähe zu sein, wenn du isst. Bei dem Geruch von gekochtem Essen wird mir übel.«
Ich blinzelte ihn verwirrt an.
»Solange mir übel ist, werde ich nicht hungrig«, erklärte Matthew vergrämt.
»Ach so!« Die Steinchen fügten sich zusammen. Dass er meinen Geruch mochte, wusste ich bereits. Offenbar regte das seinen Appetit an.
Ach so. Ich wurde wieder rot.
»Ich dachte, du würdest das wissen«, setzte er sanfter hinzu, »und hättest mich deshalb zum Essen eingeladen.«
Ich schüttelte den Kopf und stellte das nächste Lachspäckchen zusammen. »Wahrscheinlich weiß ich noch weniger über Vampire als die meisten Menschen. Und das Wenige, was meine Tante Sarah mir beigebracht hat, zählt auch nur unter Vorbehalt, weil sie so viele Vorurteile hat. Zum Beispiel ist sie ganz strikt, was eure Ernährung angeht. Sie meint, Vampire würden ausschließlich Blut zu sich nehmen, weil sie nicht mehr zum Überleben brauchen. Aber das stimmt nicht, oder?«
Matthews Augen wurden schmal, und seine Stimme vereiste. »Nein. Du brauchst Wasser, um zu überleben. Trinkst du deshalb nichts anderes?«
»Sollte ich das lieber nicht ansprechen?« Meine Fragen reizten ihn. Nervös schlang ich die Füße um die Stuhlbeine und merkte im selben Moment, dass ich vergessen hatte, Schuhe anzuziehen. Ich hatte meinen Gast barfuß empfangen.
»Wahrscheinlich kannst du nicht gegen deine Neugier an«, erwiderte Matthew, nachdem er ausgiebig über meine Frage nachgedacht
hatte. »Ich trinke Wein, und ich esse auch – am liebsten ungekochte Sachen oder kalte Speisen, die möglichst nicht riechen.«
»Aber das Essen und der Wein nähren dich nicht«, vermutete ich. »Du brauchst Blut – welcher Art auch immer.« Er zuckte zusammen. »Und du brauchst auch nicht draußen zu warten, bis ich dich in mein Haus gebeten habe. Wo liege ich sonst noch falsch?«
Matthews Miene kündete von strapazierter Geduld. Das
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