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Seelen der Nacht

Seelen der Nacht

Titel: Seelen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Harkness
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Parlamentskandidaten sehen würden, damit er zum Finanzminister ernannt werden kann?«, fragte ich erstaunt.
    »Hamish wird sich nicht aufstellen lassen«, erwiderte Matthew knapp und zupfte den Träger seiner Yogatasche zurecht.
    »Er ist also doch schwul!« Ich musste an die Spätnachrichtensendung denken, die ich vor kurzem gesehen hatte.
    Matthew bedachte mich mit einem vernichtenden Blick. »Ja. Aber vor allem ist er ein Dämon.« Ich wusste nicht viel über die Welt der nichtmenschlichen Geschöpfe, aber dass es uns verboten war, in die Politik oder Religion der Menschen einzugreifen, wusste ich.
    »Dass ein Dämon im Finanzsektor Karriere macht, ist ungewöhnlich.« Ich dachte kurz nach. »Das erklärt allerdings, warum er so scharfsinnig ist, wenn es um Geldanlagen geht.«
    »Er ist auch sonst überaus scharfsinnig.« Das Schweigen dehnte sich, ohne dass Matthew Anstalten gemacht hätte, zur Tür zu gehen. »Ich musste weg und jagen gehen.«
    Ich sah ihn verständnislos an.
    »Du hast deinen Pullover in meinem Wagen liegen lassen«, sagte er, als würde das alles erklären.
    »Miriam hat ihn mir schon zurückgegeben.«
    »Ich weiß. Ich konnte ihn nicht bei mir behalten. Begreifst du, warum?«
    Als ich den Kopf schüttelte, stieß er seufzend einen französischen Fluch aus. »Dein Duft hat den ganzen Wagen durchdrungen, Diana. Ich musste aus Oxford verschwinden.«
    »Ich verstehe immer noch nicht«, gestand ich.
    »Ich musste immerzu an dich denken.« Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und schaute über die Auffahrt.
    Mein Herzschlag war aus dem Takt geraten, und der verzögerte
Blutfluss verlangsamte meine Denkprozesse. Doch dann begann ich zu begreifen.
    »Du hast doch nicht etwa Angst, dass du mir etwas antun könntest?« Ich hatte einen gesunden Respekt vor Vampiren, aber bei Matthew fühlte ich mich sicher.
    »Ich kann nicht sicher sein.« Seine Augen blickten argwöhnisch, und in seiner Stimme schwang eine leise Warnung.
    »Du bist also nicht wegen Freitagabend gefahren?« Ich atmete erleichtert auf.
    »Nein«, sagte er sanft. »Damit hatte es nichts zu tun.«
    »Kommt ihr beiden herein, oder wollt ihr eure Übungen da draußen absolvieren?«, rief Amira von der offenen Tür aus.
    Wir gingen in den Kurs und beobachteten einander immer wieder verstohlen, wenn wir glaubten, dass der andere nicht hersah. Unser erster aufrichtiger Informationsaustausch hatte einiges verändert. Jetzt rätselten wir beide, was als Nächstes passieren würde.
    Als Matthew nach dem Ende des Kurses den Pullover über seinen Kopf zog, stach mir ein silbernes Glänzen ins Auge. Das Objekt hing an einem dünnen Lederband um seinen Hals. Dieses Ding hatte er immer wieder durch den Pullover hindurch berührt wie einen Talisman.
    »Was ist das?« Ich deutete darauf.
    »Das soll mich an etwas erinnern.«
    »Woran?«
    »Daran, wie zerstörerisch Zorn sein kann.«
    Peter Knox hatte mich gewarnt, ich solle mich vor Matthew in Acht nehmen.
    »Ist das etwa ein Pilgerzeichen?« Die Form erinnerte mich an ein Zeichen aus dem British Museum. Es sah sehr alt aus.
    Er nickte und zog es am Band nach vorn. Es baumelte zwischen seinen Fingern und blinkte, wenn das Licht darauf fiel. »Es ist eine Ampulle aus Bethanien.« Sie war wie ein Sarg geformt und gerade groß genug, um ein paar Tropfen Weihwasser zu enthalten.
    »Lazarus«, sagte ich schwach und nahm den Sarg genauer in Augenschein. In Bethanien hatte Christus Lazarus von den Toten auferweckt.
Und obwohl ich heidnisch erzogen worden war, wusste ich genau, warum Christen auf Pilgerfahrt gingen. Sie taten es, um für ihre Sünden zu büßen.
    Matthew ließ die Ampulle wieder unter seinen Pullover gleiten und entzog sie damit den Blicken der anderen Geschöpfe, die gerade nacheinander den Raum verließen.
    Wir verabschiedeten uns von Amira und blieben vor der Old Lodge in der frischen Herbstluft stehen. Trotz der Scheinwerfer, die das Mauerwerk in Licht badeten, war es hier, etwas abseits von dem Gebäude, dunkel.
    »Geht es dir jetzt besser?«, riss Matthew mich aus meinen Gedanken. Ich nickte. »Dann erzähl mir, was passiert ist.«
    »Es geht um das Manuskript. Knox will es haben. Agatha Wilson  – die Dämonin, der ich bei Blackwell’s begegnet bin  – hat gesagt, dass die Dämonen es haben wollen. Du willst es auch. Aber Ashmole 782 steht unter einem Bann.«
    »Ich weiß«, sagte er wieder.
    Eine weiße Eule flatterte vor uns nieder und schlug wütend mit den Flügeln.

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