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Seelen der Nacht

Seelen der Nacht

Titel: Seelen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Harkness
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Weinglas in der Hand, lehnte er sich zurück. Ich stand halb auf und beugte mich über den Tisch, um ihm nachzuschenken. Wenn ich ihn schon mit Fragen überschüttete, konnte ich ihm wenigstens Wein einschenken. Dummerweise musste ich mich dabei über die Kerzen beugen und hätte um ein Haar meine Bluse in Flammen gesetzt. Matthew nahm mir die Weinflasche ab.
    »Soll ich das nicht lieber übernehmen?«, schlug er vor. Er schenkte erst sich Wein ein und danach mein Glas voll, bevor er antwortete: »Das meiste, was du über mich  – über Vampire  – weißt, haben sich die Menschen zusammengeträumt. Nichtmenschliche Wesen machen ihnen Angst. Und damit meine ich nicht nur uns Vampire.«
    »Schwarze Hüte, schwarze Katzen, fliegende Besen.« Das war die unheilige Dreifaltigkeit der Hexenfolkore, die alljährlich an Halloween zu lächerlich grellem Leben erwachte.
    »Ganz genau.« Matthew nickte. »Irgendwo steckt in jeder dieser Geschichten ein Körnchen Wahrheit, etwas, das die Menschen verängstigte und ihnen half, uns zu verleugnen. Der stärkste menschliche Charakterzug ist die Fähigkeit, alles Unangenehme zu verdrängen. Ich habe übermenschliche Kräfte und ein langes Leben, du verfügst über übernatürliche Fähigkeiten, Dämonen beweisen ehrfurchtgebietende kreative Kräfte. Menschen können sich einreden, dass oben unten und schwarz weiß ist. Das ist ihre besondere Gabe.«
    »Und welches Körnchen Wahrheit steckt in der Geschichte, dass Vampire ein Haus erst betreten können, wenn sie hereingebeten wurden?« , kam ich zurück auf das Empfangsprotokoll.
    »Wir sind ständig von Menschen umgeben. Sie weigern sich, unsere Existenz anzuerkennen, weil wir nicht in ihre begrenzte Welt passen.
Wenn sie uns erst einlassen  – uns so sehen, wie wir wirklich sind  –, dann werden sie uns nicht mehr los, so wie du jemanden, den du in deine Wohnung eingeladen hast, nur schwer wieder hinauswerfen kannst. Dann können sie uns nicht mehr ignorieren.«
    »Damit verhält es sich also ähnlich wie bei den Geschichten über Vampire und die Sonne«, dämmerte mir. »Weil sie sich nicht eingestehen wollen, dass ihr unter ihnen wandelt, erzählen sie sich, dass ihr im Sonnenlicht sterben müsst.«
    Matthew nickte wieder. »Natürlich schaffen sie es trotzdem, uns zu ignorieren. Wir können schließlich nicht immer im Haus bleiben, bis es dunkel wird. Aber nach Anbruch der Nacht fallen wir den Menschen weniger auf  – und das gilt auch für euch. Du solltest ihre Gesichter sehen, wenn du einen Raum betrittst oder die Straße hinuntergehst.«
    Ich dachte an meine unauffällige Kleidung und sah ihn zweifelnd an. Matthew lachte leise.
    »Du glaubst mir nicht, ich weiß. Aber es stimmt. Es macht die Menschen nervös, wenn sie einen von uns bei Tageslicht sehen. Wir überfordern sie  – wir sind zu groß, zu stark, zu selbstbewusst, zu kreativ, zu mächtig, zu anders geartet. Den ganzen Tag versuchen sie angestrengt, uns quadratische Klötzchen in runde Löcher zu pressen. Abends ist es einfacher, uns als verschrobene Eigenbrötler hinzustellen.«
    Ich stand auf, trug die Fischteller ab und stellte dabei erleichtert fest, dass Matthew alles bis auf die Garnitur aufgegessen hatte. Er schenkte noch etwas deutschen Wein in sein Glas, während ich die nächsten beiden Teller aus dem Kühlschrank holte, auf denen mehrere Scheiben von rohem Wildfleisch lagen, das so dünn aufgeschnitten war, dass man laut dem Metzger die Oxford Mail durch sie hindurch lesen konnte. Vampire mochten kein Grünzeug. Ob sie Wurzelgemüse und Käse mochten, würde sich gleich zeigen. Ich häufte ein paar Würfel rote Bete auf jeden Teller und raspelte Parmesan darüber.
    Eine Dekantierkaraffe mit breitem Boden landete auf der Mitte des Tisches und zog sofort Matthews Blick auf sich.

    »Darf ich?«, fragte er, zweifellos besorgt, dass ich das College abbrennen könnte. Er griff nach dem Glasbehälter, schenkte etwas Wein in unsere Gläser und hielt seines dann unter seine Nase.
    »Côte Rôtie«, erkannte er zufrieden. »Einer meiner Lieblingsweine.«
    Ich fasste den schlichten Glasbehälter ins Auge. »Und du kannst das erkennen, nur indem du daran riechst?«
    Er lachte. »Manche der Vampirgeschichten stimmen. Mein Geruchssinn ist außergewöhnlich scharf  – genau wie meine Augen und mein Gehör. Aber selbst ein Mensch könnte dir sagen, dass das hier ein Côte Rôtie ist.« Er schloss wieder die Augen. »Ein 2003er?«
    Mir klappte der

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