Seelen der Nacht
große Sache«, beteuerte ich hastig. »Er wollte mich nur vor dir warnen.«
»Das sollte er auch. Niemand kann etwas sein, das er nicht ist, sosehr er sich auch bemüht. Du darfst uns Vampire nicht verklären. Knox ist vielleicht nicht an deinem persönlichen Wohl interessiert, aber was mich betrifft, hat er recht.«
»Ich lasse mir nicht vorschreiben, mit wem ich befreundet sein darf – und schon gar nicht von einem Eiferer wie Knox.« Meine Finger begannen vor Zorn zu prickeln, und ich schob sie unter meine Schenkel.
»Sind wir das? Freunde?«
»Ich glaube schon. Freunde sagen einander die Wahrheit, selbst wenn es schwerfällt.« Die Ernsthaftigkeit unseres Gesprächs verunsicherte mich so, dass ich meine Hose über den Knien glattzustreichen begann.
»Vampire sind keine besonders guten Freunde.« Er klang wieder wütend.
»Hör zu, wenn du möchtest, dass ich mich von dir fernhalte …«
»Natürlich nicht«, fiel Matthew mir ins Wort. »Es ist nur so, Beziehungen mit Vampiren sind … kompliziert. Wir haben einen ausgeprägten Beschützerinstinkt – wir können ziemlich besitzergreifend sein. Das ist nicht immer angenehm.«
»Beschützer hört sich für mich momentan ganz gut an.«
Im selben Moment sah ich nackte Verletzlichkeit in Matthews Blick. »Ich werde dich daran erinnern, wenn du dich beklagst.« Sofort war die Verletzlichkeit einer gutmütigen Ironie gewichen.
Er bog von der Holywell Street ab und fuhr durch das Tor vor meiner Unterkunft. Fred warf einen Blick auf den Wagen und grinste, bevor er diskret wegsah. Ich wartete, bis Matthew mir die Tür öffnete, und sah mich währenddessen im Wagen um, damit ich nichts zurückließ – nicht einmal einen Haargummi –, weil ich ihn nicht wieder nach Schottland treiben wollte.
»Aber es geht bei alldem nicht nur um Knox und das Manuskript«, erklärte ich ihm eindringlich, als er mir die Matte reichte. So wie er sich verhielt, hätte man meinen können, dass sich von allen Seiten die verschiedensten Geschöpfe an mich heranmachten.
»Das kann warten, Diana. Und mach dir keine Sorgen. Peter Knox wird dir nicht noch einmal nahekommen.« Er klang grimmig und hatte dabei eine Hand auf die Ampulle unter seinem Pullover gelegt.
Wir mussten mehr Zeit miteinander verbringen – und zwar nicht in der Bibliothek, sondern allein.
»Möchtest du morgen zum Abendessen kommen?«, fragte ich ihn leise. »Dann könnten wir über alles reden, was passiert ist.«
Matthew stockte, und über sein Gesicht zuckte Verwirrung und etwas anderes, das ich nicht benennen konnte. Seine Finger schlossen sich kurz um das Pilgerzeichen, dann ließ er es wieder los.
»Gern«, antwortete er langsam.
»Gut.« Ich lächelte. »Wie wäre es um halb acht?«
Er nickte und erwiderte mein Lächeln fast schüchtern. Ich war schon zwei Schritte gegangen, als mir einfiel, dass es eine Frage gab, die wir noch vor dem morgigen Abend klären mussten.
»Was isst du?«
»Eigentlich alles.« Matthews Gesicht hellte sich zu einem weiteren Lächeln auf, das mein Herz ins Stolpern brachte.
»Dann bis halb acht.« Ich wandte mich ab und lachte kopfschüttelnd über seine wenig hilfreiche Antwort. »Ach ja, noch etwas.« Ich drehte mich noch einmal um. »Lass Miriam ihre Arbeit machen. Ich kann wirklich auf mich selbst aufpassen.«
»Das hat sie mir auch schon erklärt.« Matthew ging um den Wagen herum auf die Fahrerseite. »Ich werde es mir überlegen. Aber du wirst mich morgen wie üblich im Duke Humfrey’s finden.« Er stieg ein und ließ, als ich mich nicht vom Fleck rührte, das Fenster herunter.
»Ich fahre erst los, wenn du im Haus bist«, sagte er und sah mich tadelnd an.
»Vampire«, murmelte ich kopfschüttelnd.
12
N ichts in meiner kulinarischen Erziehung hatte mich darauf vorbereitet, was man serviert, wenn man einen Vampir zum Abendessen erwartet.
In der Bibliothek verbrachte ich fast den ganzen Tag im Internet, wo ich nach Rezepten mit rohen Zutaten suchte, während meine Handschriften vergessen auf meinem Arbeitsplatz lagen. Matthew hatte behauptet, er würde alles essen, aber das war bestimmt nicht wahr. Ein Vampir, der sich hauptsächlich von Blut ernährte, vertrug bestimmt eher ungekochte Nahrung. Andererseits war Matthew so höflich, dass er ohne jeden Zweifel alles essen würde, was ich ihm anbot.
Nach umfassenden gastronomischen Studien verließ ich die Bibliothek früher als sonst. Matthew hatte das Fort Bishop heute allein gesichert, was
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