Seelen der Nacht
dass diese Erklärungen in einem alchemistischen Buch vor den Augen der Menschen versteckt worden seien. Die Veröffentlichung des Ursprungs trieb mich dazu, mich auf die Suche zu machen, ob es dieses Buch tatsächlich gab. Falls ja, dann musste Elias Ashmole es gekauft haben. Er war wirklich unheimlich geschickt darin, bizarre Handschriften aufzuspüren.«
»Du hast also schon vor hundertfünfzig Jahren hier in Oxford danach gesucht?«
»Genau«, bestätigte Matthew. »Und hundertfünfzig Jahre, bevor dir Ashmole 782 ausgehändigt wurde, bekam ich die Auskunft, dass es verschollen sei.«
Mein Puls beschleunigte sich, und er sah mich besorgt an. »Erzähl weiter.« Ich wedelte mit der Hand.
»Seither habe ich immer wieder versucht, das Manuskript in die Hände zu bekommen. Jedes andere Manuskript aus Ashmoles Sammlung war vorhanden, aber von keinem erwartete ich mir viel. Ich habe auch in anderen Bibliotheken Handschriften studiert – in der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel, in der Bibliothèque Nationale in Frankreich, der Medici-Bibliothek in Florenz, im Vatikan, in der Library of Congress in Washington.«
Blinzelnd versuchte ich mir vorzustellen, wie ein Vampir durch die Hallen des Vatikan wanderte.
»Die einzige Handschrift, die ich nicht in die Hand bekam, war Ashmole 782 . Nachdem ich alle anderen Möglichkeiten eliminiert habe,
muss es sich dabei wohl um das Manuskript handeln, das unsere Geschichte enthält – falls es überlebt hat.«
»Du hast mehr alchemistische Handschriften studiert als ich.«
»Vielleicht«, gab Matthew zu, »aber das heißt nicht, dass ich sie so gut verstanden habe wie du. Allerdings hatten alle Handschriften, die ich gesehen habe, eines gemeinsam – die absolute Gewissheit, dass die Alchemisten eine Substanz in eine andere überführen und dadurch neue Lebensformen erschaffen können.«
»Das hört sich nach Evolution an«, bemerkte ich tonlos.
»Ja«, antwortete Matthew freundlich. »Ganz genau.«
Wir gingen zu den Sofas, und ich rollte mich am Ende des einen Sofas ein, während Matthew in einer Ecke des anderen lagerte und die langen Beine von sich streckte. Praktischerweise hatte er den Wein mitgenommen. Nachdem wir es uns gemütlich gemacht hatten, drängte es mich, das Gespräch fortzusetzen.
»Letzte Woche bin ich bei Blackwell’s einer Dämonin begegnet, Agatha Wilson. Dem Internet zufolge ist sie eine berühmte Designerin. Agatha erzählte, die Dämonen würden glauben, dass es in Ashmole 782 um den Ursprung aller Arten geht – dem der Menschen eingeschlossen. Peter Knox erzählte mir eine andere Geschichte. Er meinte, es handle sich dabei um das erste Zauberbuch überhaupt, die Quelle aller Hexenkräfte. Knox glaubt, dass die Handschrift das Geheimnis der Unsterblichkeit enthält«, ich sah Matthew an, »und dass es erklärt, wie man Vampire vernichten kann. Damit kenne ich die Versionen der Dämonen und Hexen – und jetzt will ich deine hören.«
»Wir Vampire glauben, dass die verlorene Handschrift erklärt, woher wir unsere Langlebigkeit und Kraft beziehen«, sagte er. »Manche fürchten, dass bei unserer Entstehung Magie im Spiel gewesen sein könnte und dass die Hexen eine Methode finden könnten, diese Magie gegen uns zu wenden und uns zu vernichten. So wie es aussieht, könnte dieser Teil der Legende wahr sein.«
»Ich verstehe trotzdem nicht, warum du so sicher bist, dass dieses Werk über den Ursprung – was es auch enthalten mag – in einem alchemistischen Buch verborgen ist.«
»Ein alchemistisches Buch könnte diese Geheimnisse vor aller Augen verbergen – so wie Peter Knox seine Identität als Hexer unter dem Mantel des Okkultismusexperten verbirgt. Ich glaube, es waren Vampire, die als Erste erfuhren, dass sich das Buch mit Alchemie befasst. Das passt zu gut, als dass es Zufall sein kann. Als die menschlichen Alchemisten über den Stein der Weisen schrieben, schienen sie gleichzeitig über Vampire zu schreiben. Wenn wir zum Vampir werden, werden wir beinahe unsterblich, wir werden fast alle reich, und wir bekommen die Möglichkeit, unvorstellbar viel Wissen und Erfahrung anzusammeln.«
»Das ist der Stein der Weisen, stimmt.« Die Parallelen zwischen dieser mystischen Substanz und dem Wesen, das mir gegenübersaß, waren unbestreitbar – und beängstigend. »Trotzdem kann man sich kaum vorstellen, dass so ein Buch wirklich existiert. Zum einen widersprechen sich die verschiedenen Geschichten. Und
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