Seelen-Transfer
seinem Gewicht von einhundertachtzig Pfund ächzte die Ranke protestierend, aber sie riß nicht. Dafür rutschte sie von dem Ast, an dem sie sich bisher gehalten hatte. Augenblicklich stürzte Kessler in der Mitte des Flusses ins Wasser. Sofort zeigte sich an der Stelle eine wirbelnde Strömung, so, als ob sich unter der Wasseroberfläche etwas sehr schnell bewege.
Sammy Finestone, der am dichtesten an das Wasser herangegangen war, schrie auf, als Kessler platschend in dem gelben Wasser verschwand und die seltsamen Wellen auftauchten. Er warf sein Gepäck von der Schulter und hob die Arme.
„Nein, Sie Narr!“ schrie Mallet und rannte von dem Baum, an dem er immer noch gestanden hatte, herüber, um Sammy festzuhalten. „Sie wissen doch gar nicht, was …“
Es war zu spät. Sammy ignorierte ihn und sprang.
Mitten im Fluß schien das Wasser jetzt zu kochen. Kesslers Kopf tauchte für Sekundenbruchteile auf und verschwand wieder. Das Wasser wogte hoch, schäumte und hatte plötzlich eine rosa Färbung angenommen.
Sammy erschien wieder, wurde von einer großen Welle zurückgeschleudert, als sei er ein Stück Holz. Für kurze Augenblicke war ein Arm zu sehen, der sich aus dem Schaum streckte, dann verschwand Kessler für immer in einem Wirbel aus Schaum und Blut. Sammy, der immer noch gegen die Strömung am Rand des Flusses ankämpfte, stöhnte plötzlich laut.
Mallet rannte am Ufer entlang, um ihn einzuholen, sprang dann ins Wasser, ergriff Sammy bei den Haaren und zog ihn ans Ufer.
Jedenfalls einen Teil von ihm. Die Unterschenkel und Füße fehlten – vom Knie abwärts war weiter nichts als pulsendes Blut aus aufgerissenen Adern.
„Oh mein Gott“, keuchte er, während sich sein Magen umdrehte.
Sachte legte er den Verletzten nieder und holte den Erste-Hilfe-Kasten, durchwühlte den Inhalt mit einem schrecklichen Gefühl der Hilflosigkeit. Er sah keine chirurgischen Instrumente, und wenn er sie gefunden hätte, hätte er nicht gewußt, wie man sie benutzt. Eine Spitze lag noch darin, dazu einige Ampullen mit Drogen und Tabletten. Wie aber füllte man eine Sprizte auf? Welche Droge war in diesem Fall die beste? Wo sollte er einstechen?
Sammy schüttelte sich, versuchte, sich aufzurichten. Sein Gesicht war weiß und verträumt wie das eines Menschen, der immer noch meilenweit von der Realität entfernt war.
„Max“, flüsterte er. „Ist er …?“
„Er tot“, informierte Little Koo ihn, während er mit zusammengekniffenen Augen herabsah. „Liegen Sie still.“
„Ich? Warum?“ Erneut versuchte er, Kontrolle über seine tauben Beine zu bekommen, sah dann an sich hinunter.
Mallet kehrte zurück, und Little Koo sagte: „Er ist ohnmächtig geworden.“
„Auch gut. Dieses Zeug ist alles, was wir für ihn verwenden können. Schnell, heben Sie seinen rechten Stumpf an.“
Geschickt verschloß er mit einem Spezial-Kunststoff die Adern und den gesamten Beinstumpf. Dieser Kunststoff war nicht leicht aufzutragen, da er schon nach Sekundenbruchteilen fest wurde. Die erste Lage hielten die Klammern fest, Mallet fügte aber noch eine zweite hinzu, bis die Wunde völlig versiegelt war. Das gleiche machte er dann mit dem anderen Bein.
Als eine erste Hilfsmaßnahme, um mit einem schweren Notfall fertig zu werden, würde das jeden Test bestehen. Aber es war keine endgültige Lösung. Bis man den Verletzten in fachkundige Hände und eine moderne technische Ausrüstung bringen konnte, würde es gerade ausreichen.
Mallet griff nach Verbandsstoff und Wattekissen, weil sie vielleicht als Polsterung dienen konnten, wenn sie auch für die Wunden selbst nicht mehr nötig waren. Seine Hand blieb leer, denn Little Koo zog in diesem Augenblick seine Waffe – jetzt die einzige, die sie noch hatten, und sagte ruhig:
„Der Wasser-Teufel.“
Mallet schaute über seine Schulter und sah einen großen, flachen, herzförmigen Kopf, der aus dem Wasser schaute. Er hatte die Größe eines kleinen Bootes und zwei weiße, tellergroße Augen, die unbewegt zu ihnen herüberstarrten. Zwei dünne Fäden von Wasserpflanzen hingen aus einem schnabelartigen Vorsprung in dem gespenstischen Gesicht. Die Kiefer mahlten noch langsam vor sich hin, als wolle das Biest eine seltene Delikatesse bis zum letzten auskosten.
Die Automatik schickte mehrere Feuerstöße hinüber – eines der Telleraugen zersprang, und eine dicke grüne Flüssigkeit sprudelte daraus hervor. Der Kopf verschwand unter Wasser, und das Wasser kochte erneut, als die
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