Seelen-Transfer
quälte sich dann unter großer Anstrengung in eine sitzende Lage. In seinen dunklen Augen spiegelten sich die Flammen des Feuers. Mallet kam heran, hockte sich neben ihn und flüsterte, um Little Koo nicht zu stören.
„Wie geht es Ihnen?“
„Nicht sehr gut. Ich …“
„Moment mal.“ Mallet ging zu seinem Gepäck, zog es vorsichtig unter Feeny weg, wühlte darin herum und kam zurück. „Ich habe diese aus dem Fahrzeug mitgenommen. Dachte mir, ich hebe sie mir auf, bis …“
„Welchem Fahrzeug?“ fragte Sammy.
„Aus dem, das uns hergebracht hat.“
Sammy rieb sich die Augen, dachte angestrengt nach und sagte: „Ah ja, das Fahrzeug. Mein Gott, das ist ja schon eine Million Jahre her.“
„Ich wollte sie aufheben, bis der siegreiche Augenblick gekommen sein würde, wenn wir die Rettungsstation in Sichtweite haben.“ Mallet zog eine kleine Büchse mit Zigaretten hervor. „Aber wir brauchen sie jetzt sowieso nicht mehr alle.“
„Behalten Sie sie“, hauchte Sammy. Er wollte ein Stöhnen unterdrücken, aber es gelang ihm nicht ganz. „Wäre eine Schande, sie gerade jetzt anzureißen. Sie werden sich nicht mehr lange halten, wenn erst einmal Luft hineingekommen ist.“
„Little Koo raucht nicht. Es sind nur wir zwei.“ Mallet riß die Vakuumpackung auf, schob die Kappe hoch. Er gab Sammy eine Zigarette, zündete sich selbst eine an. „Könnten Sie einen Schuß Morphium gebrauchen?
„Wissen Sie, wie man das macht?“
„Nein.“
Sammy lehnte sich zu Mallet hinüber, stützte sich dabei mit einer Hand ab und sagte leise: „Sie haben mich beide zwei Tage lang geschleppt. Wie weit sind wir vorangekommen?“
„Etwa sieben Meilen“, schätzte Mallet.
„Dreieinhalb Meilen pro Tag. Ist nicht sehr viel, nicht? Jedesmal, wenn wir an eine Liane kommen, müssen Sie mich absetzen, um sie abhacken zu können. Dann heben Sie mich wieder an. Sie haben nur zwei Hände, keine sechs. Sie haben auch keine unzerstörbaren Beine. Das kann nicht ewig so weitergehen.“
„Und?“ fragte Mallet und musterte den Mann.
„Little Koo hat eine Pistole.“
„Was ist damit?“ fragte Mallet völlig ausdruckslos.
„Sie wissen, was ich meine!“
Mallet blies langsam seinen Zigarettenrauch in die Luft und sah zu, wie er zerfaserte. „Ich sehe wie ein Blödmann aus. Vielleicht halten Sie mich für einen. Und vielleicht haben Sie recht. Aber ich bin kein Mörder.“
„Sehen Sie das doch nicht so“, bettelte Sammy ihn. Er blinzelte mit den Augenlidern, auf seiner Faust stand Schweiß. „Sie wissen genau, daß ich früher oder später dran glauben muß. Es ist nur eine Frage der Zeit. Ich bitte Sie, es mir leicht zu machen. Viel lieber würde ich …“
„Sie meinen, Sie möchten es uns leichter machen“, unterbrach Mallet ihn. Er spie ins Feuer. „Wenn Sie so weiterreden, reiße ich Ihnen den hirnlosen Kopf doch noch ab.“
Sammy lehnte auf einem Ellbogen und grinste schwach. „In einem sind Sie unübertroffen, Bill – wie Sie das Selbstbewußtsein anderer in bedrohlicher Weise stärken.“
„Ich werde das Morphium holen.“
Er stapfte hinüber auf die andere Seite des Feuers, suchte in ihrem Gepäck herum. Bill, dachte er. Es war wohl das erste Mal gewesen, daß Sammy ihn bei seinem Vornamen genannt hatte. Vielleicht wäre es bei den anderen inzwischen genauso, wenn sie lange genug gelebt hätten.
Paton, zum Beispiel. Vielleicht hätten sie inzwischen aufgehört, sich so anzusprechen: „Hier, heben Sie das auf, Paton“ und „Jawohl, Mr. Mallet.“ Vielleicht sprächen sie inzwischen ganz anders, etwa: „Fang mal auf, Hanny“ und „Okay, Bill …“
Vielleicht würde Mrs. Mihailowitsch ihn, in ihrer Aussprache, „Biehl“ nennen und er sie als Gerda oder Mom oder Schätzchen bezeichnen oder so. Früher einmal hätte ihn dieser Gedanke verlegen gemacht. Mehr noch – es hätte ihn unverkennbar mürrisch gemacht. Aber jetzt nicht mehr. Die Zeiten ändern sich – die Menschen ändern sich mit ihnen.
Ja, auch über Sammy hatte er seine Meinung geändert. Dieser Jude, der ihm nicht geheuer gewesen war, hatte ohne zu zögern versucht, Kessler zu retten, und jetzt bat er um eine Pistole, um ihn und Little Koo von seiner Last zu befreien. Paton hatte sich auf etwas gestürzt, wo andere schreiend davongelaufen wären, nur um Gefahren von anderen abzuwenden. Gerda und Grigor waren bereit gewesen, eher allein zu sterben, als den anderen zur Last zu fallen. Selbst Feeny würde sich den
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