Seelen
war, formierte sich Widerstand. Das scheint der Schlüssel zu sein - zu wissen, was los ist. Die Menschen, die überraschend übernommen wurden, haben sich nicht gewehrt.«
»Das heißt, wenn ich geschnappt würde …?«
Ich musterte seinen wilden Gesichtsausdruck - das Feuer in seinen leuchtenden Augen.
»Ich bezweifle, dass du verschwinden würdest. Die Dinge haben sich allerdings mittlerweile geändert. Wenn sie ausgewachsene Menschen zu fassen kriegen, stellen sie sie inzwischen nicht mehr als Wirte zur Verfügung. Zu viele Problemfälle.« Mir entschlüpfte erneut ein schiefes Lächeln. »Problemfälle wie ich . Weich geworden, eine Beziehung zu meinem Wirt aufgebaut, von meinen Weg abgekommen …«
Er dachte lange darüber nach, wobei er manchmal mein Gesicht ansah, manchmal die Maishalme, manchmal auch gar nichts.
»Was würden sie denn dann mit mir machen, wenn sie mich jetzt erwischen würden?«, fragte er schließlich.
»Ich denke, sie würden trotzdem jemanden implantieren. Um Informationen zu bekommen. Vermutlich würden sie einen Sucher in dich einsetzen.«
Er schauderte.
»Aber sie würden dich nicht als Wirt verwenden. Unabhängig davon, ob sie die Informationen bekommen hätten oder nicht würdest du … entsorgt.« Es war schwer, das Wort auszusprechen. Die Vorstellung machte mich krank. Seltsam - normalerweise waren es die menschlichen Verhaltensweisen, die mich krank machten. Allerdings hatte ich die Dinge auch noch nie aus der Perspektive eines Körpers betrachtet; kein anderer Planet hatte mich je dazu gezwungen. Ein Körper, der nicht richtig funktionierte, wurde schnell und schmerzlos aussortiert, denn er war genauso unnütz wie ein Auto, das nicht fuhr. Wozu sollte man ihn behalten? Es gab auch Geisteszustände, die einen Körper nutzlos machten: gefährliche psychische Abhängigkeiten, zerstörerische Sehnsüchte; Dinge, die nicht geheilt werden konnten und den Körper zu einer Gefahr für andere werden ließen. Oder eben ein Geist, der zu willensstark war um ausgelöscht zu werden. Eine Anomalie, die es nur auf diesem Planeten gab.
Wie verabscheuenswert es war, einen Geist, den man nicht erobern konnte, als Defekt zu behandeln, war mir nie so deutlich bewusst geworden wie jetzt, als ich Ian in die Augen blickte.
»Und wenn du geschnappt würdest?«, fragte er.
»Wenn sie rausfinden, wer ich bin … wenn immer noch nach mir gesucht wird …« Ich dachte an meine Sucherin und schauderte wie er vorhin. »Sie würden mich rausnehmen und in einen anderen Wirt einsetzen, einen jungen, leicht formbaren. Sie würden darauf hoffen, dass es mir gelänge, wieder ich selbst zu werden. Vielleicht würden sie mich auf einen anderen Planeten verfrachten - mich von den schlechten Einflüssen entfernen.«
»Würdest du denn dann wieder du selbst werden?«
Unsere Blicke trafen sich. »Ich bin ich selbst. Ich bin ja trotz Melanie noch hier. Ich würde mich genauso fühlen wie jetzt, sogar als Bär oder Blume.«
»Dich würden sie nicht entsorgen «
»Eine Seele nicht. Bei uns gibt es keine Todesstrafe - oder überhaupt irgendeine Strafe. Egal, was sie tun würden, das Ziel wäre, mich zu retten. Ich dachte immer, es könne keinen Grund geben, daran etwas zu ändern, aber jetzt bin ich selbst der lebende Beweis, dass es doch einen Grund gibt. Es wäre wahrscheinlich richtig, mich zu entsorgen. Ich bin schließlich eine Verräterin, oder?«
Ian kräuselte die Lippen. »Eher so etwas wie eine Emigrantin, würde ich sagen. Du hast dich nicht gegen sie gewandt; du hast nur ihre Gesellschaft verlassen.«
Wir schwiegen wieder. Ich wollte gerne glauben, dass er Recht hatte. Ich dachte über das Wort Emigrantin nach und versuchte mich selbst davon zu überzeugen, dass ich nichts Schlimmeres war.
Ian stieß so geräuschvoll die Luft aus, dass ich erschrak. »Wenn Doc wieder nüchtern ist, muss er mal einen Blick auf dein Gesicht werfen.« Er legte seine Hand unter mein Kinn; diesmal zuckte ich nicht zurück. Dann drehte er meinen Kopf zur Seite, so dass er die Wunde ansehen konnte.
»Ist nicht so wild. Ich bin sicher, dass es schlimmer aussieht, als es ist.«
»Das hoffe ich - es sieht nämlich furchtbar aus.« Er seufzte und räkelte sich dann. »Ich schätze mal, dass wir uns lange genug versteckt haben und Kyle inzwischen sauber und im Tiefschlaf ist. Soll ich dir mit dem Abwasch helfen?«
Ian wollte mich das Geschirr nicht im Fluss waschen lassen, wie ich es sonst immer machte. Er bestand
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