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Seelen

Titel: Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephenie Meyer
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darauf, dass wir in den dunklen Baderaum gingen, wo man mich nicht sehen konnte. Also schrubbte ich das Geschirr im flachen Ende des dunklen Beckens, während er sich den Dreck abwusch, den seine geheimnisvolle Tätigkeit zurückgelassen hatte. Dann half er mir mit den übrigen Schüsseln.
    Als wir fertig waren, begleitete er mich zurück zur Küche, die sich für das Mittagessen zu füllen begann. Wieder standen frische Lebensmittel auf dem Speiseplan: weiches Weißbrot, kräftiger Cheddar, saftige, rosa Fleischwurst - alles in Scheiben geschnitten. Die Anwesenden schlangen die Köstlichkeiten gierig hinunter, obwohl ihre Verzweiflung an den hängenden Schultern und dem fehlenden Gelächter - oder auch nur einem Lächeln - immer noch abzulesen war.
    Jamie wartete an unserem Stammplatz auf mich. Zwei Stapel Sandwiches lagen vor ihm, aber er aß nicht. Mit verschränkten Armen sah er mir entgegen. Ian warf ihm einen neugierigen Blick zu, ging sich aber, ohne nachzufragen, selbst etwas zu essen holen.
    Ich verdrehte die Augen über Jamies Sturheit und biss ein Stück von einem Sandwich ab. Sobald ich kaute, langte Jamie auch zu. Ian kam zurück und wir aßen schweigend. Das Essen schmeckte so gut, dass man sich kaum einen Grund für ein Gespräch vorstellen konnte - oder sonst etwas, das uns beim Kauen gestört hätte.
    Ich hörte nach zwei Sandwiches auf, aber Jamie und Ian aßen, bis sie über Magenschmerzen klagten. Ian sah aus, als würde er gleich umfallen. Er versuchte mühsam die Augen offen zu halten.
    »Ab zurück in die Schule, Junge«, sagte er zu Jamie.
    Jamie musterte ihn. »Vielleicht sollte ich jetzt mal übernehmen …«
    »Geh in die Schule«, sagte ich schnell. Ich wollte Jamie heute in sicherem Abstand von mir wissen.
    »Wir sehen uns später, okay? Mach dir keine Sorgen wegen … Mach dir einfach keine Sorgen.«
    »Klar.« Eine Lüge, die nur aus einem Wort bestand, war nicht ganz so leicht zu durchschauen. Aber vielleicht war ich auch nur mal wieder sarkastisch.
    Sobald Jamie weg war, wandte ich mich an den schläfrigen Ian. »Ruh dich ein bisschen aus. Um mich musst du dich nicht kümmern - ich werde mir ein unauffälliges Plätzchen suchen. Mitten in einem Maisfeld oder so.«
    »Wo hast du letzte Nacht geschlafen?«, fragte er und sah mich unter seinen halb geschlossenen Lidern erstaunlich scharf an.
    »Warum?«
    »Dort könnte ich jetzt schlafen - und du könntest unauffällig bei mir bleiben.«
    Unser Gemurmel war kaum lauter als ein Flüstern. Niemand schenkte uns auch nur die geringste Aufmerksamkeit.
    »Du kannst mich nicht rund um die Uhr bewachen.«
    »Wollen wir wetten?«
    Ich zuckte mit den Schultern und gab nach. »Ich war wieder beim … bei dem Loch. Wo ich ganz zu Anfang untergebracht war.«
    Ian runzelte die Stirn; das gefiel ihm nicht. Aber er stand auf und ging voran in Richtung Lagerraum. Die große Höhle war jetzt wieder voll von Leuten, die um das Feld herumgingen, alle ernst die Blicke zu Boden gerichtet.
    Als wir allein in dem dunklen Tunnel waren, versuchte ich ihn erneut zu überzeugen.
    »Ian - was soll das alles bringen? Wird es Jamie nicht noch mehr wehtun, wenn ich noch länger lebe? Wäre es letzten Endes nicht besser für ihn, wenn …«
    »So darfst du nicht denken, Wanda. Wir sind keine Tiere. Dein Tod ist nicht unausweichlich.«
    »Ich halte dich nicht für ein Tier«, sagte ich leise.
    »Danke. Das war allerdings nicht als Vorwurf gemeint. Ich könnte es verstehen, wenn es so wäre.«
    Damit war unser Gespräch beendet; das war der Augenblick, in dem wir beide das gedämpfte blaue Licht um die nächste Tunnelbiegung leuchten sahen.
    »Psst«, hauchte Ian. »Warte hier.«
    Er drückte sanft meine Schulter nach unten, als versuchte er mich dort festzunageln, wo ich stand. Dann ging er weiter, wobei er sich keine Mühe gab, das Geräusch seiner Schritte zu dämpfen. Er verschwand um die Ecke.
    »Jared?«, hörte ich ihn mit gespielter Überraschung sagen.
    Das Herz schnürte sich mir zusammen; allerdings eher vor Schmerz denn aus Angst.
    »Ich weiß, dass es bei dir ist«, erwiderte Jared. »Komm raus, komm raus, wo immer du bist«, rief er mit harter, spöttischer Stimme so laut, dass ihn bis zur großen Höhle jeder hören konnte.

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V erraten
    V ielleicht hätte ich in die andere Richtung davonlaufen sollen. Aber Jared rief nach mir, wenn seine Stimme auch kalt und wütend klang, und niemand hielt mich mehr zurück. Melanie war noch ungeduldiger als ich, als

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