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Seelen

Titel: Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephenie Meyer
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zu hören und dann das Geräusch, wie er sich auf dem Steinboden niederließ, nicht so nah neben mir, wie ich erwartet hätte.
    Mit einem Klicken erlosch das Licht.
    Ich wartete lange schweigend darauf, dass er anfangen würde zu sprechen, aber er blieb genauso stumm wie ich.
    Schließlich hörte ich auf zu warten und trauerte weiter. Ian unterbrach mich nicht. Ich saß in der Schwärze des großen Lochs in der Erde und trauerte um verlorene Seelen - mit einem Menschen an meiner Seite.

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V erschwunden
    I an saß drei Tage mit mir in der Dunkelheit.
    Er ging nur ein paarmal kurz weg, um uns Essen und Wasser zu holen. Zuerst aß und trank Ian, obwohl ich es nicht tat. Dann verstand er, dass es nicht Appetitlosigkeit war, die mein Tablett voll zurückließ, und hörte ebenfalls auf zu essen.
    Ich nutzte seine kurzen Abwesenheiten immer dazu, meine körperlichen Bedürfnisse zu befriedigen, die ich nicht ignorieren konnte, und war dankbar für die Nähe des stinkenden Stroms. Mit anhaltendem Fasten verschwanden diese Bedürfnisse.
    Ich konnte nicht verhindern, dass ich einschlief, aber ich machte es mir nicht bequem. Am ersten Tag stellte ich beim Aufwachen fest, dass mein Kopf und meine Schultern in seinem Schoß lagen. Ich fuhr von ihm zurück und zitterte so heftig, dass er das nicht wiederholte. Von da an sackte ich dort, wo ich war, auf den Steinen zusammen, und wenn ich aufwachte, rollte ich mich sofort wieder zu einer stummen Kugel zusammen.
    »Bitte«, flüsterte Ian am dritten Tag - zumindest glaubte ich, dass es der dritte Tag war; es gab keine Möglichkeit, festzustellen, wie viel Zeit an diesem dunklen, stillen Ort verstrich. Es war das erste Mal, dass er etwas sagte.
    Ich wusste, dass ein Tablett mit Essen vor mir stand. Er schob es näher, bis es an mein Bein stieß. Ich zuckte zurück.
    »Bitte, Wanda. Bitte iss etwas.«
    Er legte mir die Hand auf den Arm, nahm sie aber schnell wieder weg, als ich mich ihm entzog.
    »Bitte hass mich nicht. Es tut mir so leid. Wenn ich das gewusst hätte … hätte ich sie davon abgehalten. Ich werde nicht zulassen, dass das noch einmal passiert.«
    Er würde sie nie davon abhalten. Er war nur einer unter vielen. Und er hatte vorher auch nichts dagegen gehabt, genau wie Jared gesagt hatte. Ich war der Feind. Sogar bei denjenigen, die am meisten Mitgefühl zeigten, war die begrenzte menschliche Fähigkeit zur Gnade für ihre eigene Spezies reserviert.
    Ich wusste, dass Doc keinem Menschen absichtlich Schmerzen zufügen konnte. Ich bezweifelte sogar, dass er in der Lage war, dabei auch nur zuzusehen, so zartbesaitet war er. Aber ein Wurm, ein Tausendfüßler? Warum sollten ihn die Qualen eines fremden außerirdischen Wesens kümmern? Warum sollte es ihm etwas ausmachen, ein Baby zu ermorden - indem er es langsam Stück für Stück auseinanderschnitt -, wenn es keinen menschlichen Mund zum Schreien hatte?
    »Ich hätte es dir sagen sollen«, flüsterte Ian.
    Hätte es einen Unterschied gemacht, wenn ich es einfach gesagt bekommen hätte, anstatt die misshandelten Überreste selbst zu sehen?, fragte ich mich. Wäre der Schmerz weniger heftig gewesen?
    »Bitte iss.«
    Es kehrte wieder Stille ein. Wir saßen eine Weile so da, vielleicht noch eine Stunde lang.
    Ian stand auf und ging leise davon.
    Ich war mir über meine Gefühle absolut nicht im Klaren. In diesem Moment hasste ich den Körper, mit dem ich verbunden war. Wieso machte mich Ians Weggehen also traurig? Warum kam mir die Einsamkeit, die ich doch gesucht hatte, plötzlich schmerzlich vor? Ich wollte das Monster zurückhaben und das war vollkommen verkehrt.
    Ich blieb nicht lange allein. Ich wusste nicht, ob Ian ihn holen gegangen war oder ob er darauf gewartet hatte, dass Ian wegging, aber ich erkannte Jeb an seinem nachdenklichen Pfeifen, das sich in der Dunkelheit näherte.
    Das Pfeifen brach ein paar Fuß vor mir ab und ein lautes Klicken war zu hören. Ein gelber Lichtstrahl blendete mich. Ich blinzelte dagegen an.
    Jeb stellte die Taschenlampe aufrecht hin, so dass sie einen Lichtkreis auf die niedrige Decke warf und uns in ein weitreichendes, diffuses Licht tauchte.
    Jeb ließ sich neben mir an der Wand nieder.
    »Du willst dich also zu Tode hungern? Ist das dein Plan?«
    Ich sah auf den Steinboden hinunter.
    Wenn ich ehrlich mir gegenüber war, musste ich mir eingestehen, dass meine Trauerzeit vorbei war. Ich hatte getrauert. Ich hatte weder das Kind noch die andere Seele in der Höhle des Schreckens

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