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Seelen

Titel: Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephenie Meyer
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gekannt. Ich konnte nicht ewig den Tod von Fremden beklagen. Nein, jetzt war ich wütend.
    »Wenn du sterben willst, gibt es einfachere und schnellere Methoden.«
    Als ob ich das nicht gewusst hätte.
    »Dann liefer mich Doc aus«, krächzte ich.
    Jeb war nicht überrascht, mich sprechen zu hören. Er nickte vor sich hin, als hätte er genau gewusst, dass ich das sagen würde.
    »Hast du erwartet, wir würden einfach aufgeben, Wanderer?« Jebs Stimme war hart und ernster als je zuvor. »Wir haben einen stärkeren Selbsterhaltungstrieb. Natürlich wollen wir einen Weg finden, unser Bewusstsein wiederzubekommen. Jeden Moment könnte es irgendeinen von uns treffen. Wir haben bereits so viele Leute, die wir lieben, verloren.
    Es ist nicht leicht. Es bringt Doc jedes Mal fast um, wenn er versagt - das hast du ja gesehen. Aber dies ist unsere Realität, Wanda. Dies ist unsere Welt. Wir haben einen Krieg verloren. Wir sind kurz davor, ausgerottet zu werden. Wir versuchen, einen Weg zu finden, uns selbst zu retten.«
    Zum ersten Mal sprach Jeb mit mir wie mit einer Seele und nicht wie mit einem Menschen. Ich hatte allerdings das Gefühl, dass ihm der Unterschied immer bewusst gewesen war. Er war einfach bloß ein höfliches Monster.
    Ich konnte nicht leugnen, dass an dem, was er sagte, etwas Wahres dran war, dass es irgendwie einen Sinn ergab. Mein erstes Entsetzen war abgeklungen und ich war wieder ich selbst. Es lag in meiner Natur, fair zu sein.
    Einige wenige dieser Menschen konnten sich in meine Lage versetzen; zumindest Ian. Dann konnte ich mich auch in ihre Lage versetzen. Sie waren Monster, aber vielleicht Monster, deren Tun gerechtfertigt war.
    Natürlich mussten sie glauben, dass Gewalt der richtige Weg war. Sie waren nicht fähig, sich andere Lösungen auszudenken. Konnte ich ihnen vorwerfen, dass ihr genetisches Programm ihre Problemlösungsmöglichkeiten derart beschränkt hatte?
    Ich räusperte mich, aber meine Stimme war immer noch rau vom mangelnden Gebrauch. »Babys aufzuschlitzen wird niemanden retten, Jeb. Jetzt sind sie alle tot.«
    Er schwieg einen Moment. »Wir können eure Jungen nicht von den Alten unterscheiden.«
    »Nein, ich weiß.«
    »Ihr habt unsere Babys genauso wenig verschont.«
    »Wir haben sie aber auch nicht gequält. Wir fügen niemandem absichtlich Schmerzen zu.«
    »Ihr tut etwas noch viel Schlimmeres. Ihr löscht sie aus.«
    »Ihr tut beides.«
    »Stimmt - weil wir es versuchen müssen. Wir müssen weiterkämpfen. Es ist unsere einzige Möglichkeit. Entweder wir versuchen es weiter oder wir drehen das Gesicht zur Wand und gehen zugrunde.« Er sah mich an und hob eine Augenbraue.
    Genauso musste das, was ich hier tat, auf ihn wirken.
    Ich seufzte und griff nach der Wasserflasche, die Ian dicht neben meinen Fuß gestellt hatte. Ich leerte sie in einem langen Zug und räusperte mich erneut.
    »Es wird niemals funktionieren, Jeb. Ihr könnt uns weiterhin in Stücke schneiden, aber ihr werdet bloß immer mehr fühlende Wesen ermorden, Seelen und Menschen. Wir sind keine Folterer, wir töten nicht willentlich, aber unsere Körper sind auch nicht schwach. Unsere Fortsätze mögen aussehen wie weiches, silbernes Haar, aber sie sind stärker als eure Organe. Das ist es doch, was passiert, oder? Doc schlitzt meine Verwandten auf und ihre Gliedmaßen zerhacken die Gehirne von euren .«
    »Wie Hüttenkäse«, pflichtete er mir bei.
    Ich würgte und schauderte bei der Vorstellung.
    »Mir wird auch übel davon«, gab er zu. »Doc lässt sich total volllaufen. Jedes Mal, wenn er glaubt, er hat es raus, geht es wieder schief. Er hat alles Erdenkliche versucht, aber er kann sie nicht davor bewahren, zu Hafergrütze zerhackt zu werden. Eure Seelen reagieren nicht auf Narkose … oder Gift.«
    Meine Stimme war erneut rau vor Entsetzen. »Natürlich nicht. Unsere chemische Struktur ist eine völlig andere.«
    »Einmal hat einer von deinen Leuten offenbar gemerkt, was passieren würde. Bevor Doc den Menschen betäuben konnte, zerfetzte das Silberding sein Gehirn von innen. Das haben wir natürlich erst festgestellt, als Doc ihn aufgemacht hat. Der Kerl ist einfach kollabiert.«
    Ich war überrascht, seltsam beeindruckt. Diese Seele musste sehr mutig gewesen sein. Ich hätte nicht den Mut gehabt, diesen Schritt zu wagen, nicht mal zu Anfang, als ich dachte, sie würden genau das aus mir herauskriegen wollen - und sei es durch Folter. Ich hätte nie gedacht, dass sie einfach versuchen würden, sich die

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