Seelen
ist so offensichtlich.
Nein, ist es nicht.
Mir fiel das Gespräch wieder ein, das wir geführt hatten, als Jamie krank gewesen war. Als wir uns versöhnt hatten. Ich hatte ihr gesagt, dass ich sie nicht auslöschen würde und dass es mir leidtat, dass ich nicht mehr für sie tun konnte.
Es war keine Lüge gewesen, sondern vielmehr ein unvollständiger Satz. Ich konnte nicht mehr für sie tun - und dabei selbst am Leben bleiben.
Die eigentliche Lüge hatte ich Jared erzählt. Ich hatte ihm nur Sekunden später erklärt, dass ich nicht wusste, wie ich mich selbst verschwinden lassen konnte. Im Kontext unserer Unterhaltung war es die Wahrheit gewesen. Ich wusste nicht, wie ich mich in Melanies Körper in nichts auflösen sollte. Aber es überraschte mich, dass ich nicht schon damals die offenkundige Lüge aus diesem Satz herausgehört hatte - nicht schon damals erkannt hatte, was ich jetzt erkannte. Natürlich wusste ich, wie ich mich selbst verschwinden lassen konnte.
Ich hatte diese Möglichkeit nur einfach nie für realisierbar gehalten, da sie den totalen Verrat an allen Seelen auf diesem Planeten darstellte.
Sobald die Menschen erfuhren, dass ich die Antwort wusste, für die sie wieder und wieder gemordet hatten, würde ich dafür zahlen müssen.
Nein, Wanda!
Willst du nicht frei sein?
Eine lange Pause.
Ich würde dich nie darum bitten, sagte sie schließlich. Und ich würde das für dich nicht tun. Und ganz bestimmt würde ich es für die verdammte Sucherin nicht tun!
Du musst mich nicht darum bitten. Ich denke, ich hätte es sowieso freiwillig getan … irgendwann.
Warum glaubst du das? , wollte sie wissen. Sie war kurz davor, zu weinen. Das rührte mich. Ich hatte erwartet, dass sie begeistert wäre.
Zum einen ihretwegen. Wegen Jared und Jamie, meine ich. Ich kann ihnen die ganze Welt geben, alles, was sie begehren. Ich kann ihnen dich geben. Ich hätte das wahrscheinlich sowieso irgendwann begriffen. Wer weiß? Vielleicht hätte mich auch Jared darum gebeten. Du weißt, dass ich nicht Nein gesagt hätte.
Ian hat Recht. Du bist zu aufopferungsvoll. Du kennst keine Grenzen. Du brauchst Grenzen, Wanda!
Ach, Ian, klagte ich. Ein neuer Schmerz durchbohrte mich, überraschend nah an meinem Herzen.
Du wirst ihm die ganze Welt nehmen. Alles, was er begehrt.
Das würde sowieso nichts werden mit Ian. Nicht in diesem Körper, auch wenn Ian ihn liebt… weil er Ian nicht liebt.
Wanda, ich … Melanie suchte nach den richtigen Worten. Die Freude, die ich erwartet hatte, stellte sich immer noch nicht ein. Und wieder war ich gerührt. Ich glaube nicht, dass ich das zulassen kann. Du bist wichtiger als das alles. In einem größeren Zusammenhang betrachtet, bist du viel wertvoller für sie als ich. Du kannst ihnen helfen, kannst sie retten. Ich kann nichts dergleichen. Du musst hierbleiben.
Ich sehe keinen anderen Ausweg, Mel. Ich frage mich, warum ich nicht früher darauf gekommen bin. Es erscheint mir jetzt so absolut offensichtlich. Natürlich muss ich gehen. Natürlich muss ich dich dir selbst zurückgeben. Es ist mir längst klargeworden, dass es falsch war, dass wir Seelen hierhergekommen sind. Also habe ich keine andere Wahl, als das Richtige zu tun und zu gehen. Ihr habt vorher auch ohne mich überlebt, also werdet ihr das auch weiterhin tun. Du hast von mir so viel über die Seelen gelernt - du wirst ihnen helfen. Begreifst du das nicht? Das ist das Happy End. So musste diese Geschichte für sie alle zu Ende gehen. Ich kann ihnen Hoffnung geben. Ich kann ihnen … nein, keine Zukunft geben. Das vielleicht nicht. Aber ich gebe ihnen, so viel ich kann. Alles, was ich kann.
Nein, Wanda, nein.
Sie weinte, konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ihr Kummer trieb mir die Tränen in die Augen. Ich hatte keine Ahnung gehabt, dass ich ihr so viel bedeutete. Fast so viel wie sie mir. Mir war nicht klar gewesen, dass wir uns liebten.
Selbst wenn mich Jared nie darum bitten würde, selbst wenn es Jared gar nicht gäbe … Jetzt, wo mir dieser Ausweg eingefallen war, würde ich ihn weiterverfolgen müssen. So sehr liebte ich sie.
Kein Wunder, dass die Erfolgsquote bei widerspenstigen Wirten hier auf der Erde so niedrig war. Sobald wir unsere menschlichen Wirte liebgewonnen hatten, welche Hoffnung hatten wir Seelen dann noch? Wir konnten nicht auf Kosten eines Wesens existieren, das wir liebten. Eine Seele nicht. Eine Seele konnte so nicht leben.
Ich drehte mich auf den Rücken und betrachtete im
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