Seelen
Sternenlicht meinen Körper.
Meine Hände waren schmutzig und zerkratzt, aber abgesehen von diesen oberflächlichen Mängeln waren sie schön. Die Haut war sonnengebräunt; sogar in dem fahlen Licht, das sie bleicher aussehen ließ, war sie hübsch. Die Nägel waren kurz, mit kleinen weißen Halbmonden am unteren Ende. Ich ließ meine Finger umherflattern und sah, wie die Muskeln die Knochen in anmutige Bewegungen versetzten. Ich ließ sie über mir tanzen, wo sie vor den Sternen zu schwarzen, fließenden Umrissen wurden.
Ich fuhr mir mit ihnen durch das Haar. Es reichte mir jetzt fast bis auf die Schulter; Mel würde das gefallen. Nach ein paar Wochen mit Shampoo in Hotelduschen und Vitaminpräparaten war es wieder glänzend und weich.
Ich streckte die Arme aus, so weit ich konnte, dehnte die Sehnen, bis einige meiner Gelenke knackten. Meine Arme fühlten sich stark an. Sie konnten mich einen Berg hochziehen, sie konnten eine schwere Last tragen, sie konnten ein Feld umpflügen. Aber gleichzeitig waren sie zärtlich. Sie konnten ein Kind halten, sie konnten einen Freund trösten, sie konnten lieben … aber all das war nicht für mich bestimmt.
Ich holte tief Luft und Tränen quollen mir aus den Augenwinkeln und liefen mir über die Schläfen in die Haare.
Ich spannte meine Beinmuskeln an, spürte ihre Kraft und Schnelligkeit. Ich wollte laufen, ein offenes Feld vor mir haben, über das ich laufen konnte, nur um zu sehen, wie schnell ich war. Ich wollte barfuß rennen, um die Erde unter meinen Füßen zu spüren. Ich wollte den Wind in meinem Haar spüren. Ich wollte, das es regnete, damit ich den Regen in der Luft riechen konnte, während ich rannte.
Ich streckte meine Füße aus und zog sie wieder an, im Rhythmus meiner Atmung. Ausstrecken und anziehen. Es fühlte sich gut an.
Ich strich mir mit den Fingerspitzen übers Gesicht. Sie fühlten sich warm an auf meiner Haut, einer Haut, die zart und schön war. Ich war froh, dass ich Melanie ihr Gesicht in seinem ursprünglichen Zustand zurückgab. Ich schloss die Augen und streichelte meine Augenlider.
Ich hatte schon in so vielen Körpern gelebt, aber in keinem, den ich so geliebt hatte wie diesen. In keinem, den ich so sehr begehrt hatte. Und genau das war der Körper, den ich aufgeben musste.
Die Ironie brachte mich zum Lachen und ich konzentrierte mich auf das Gefühl, wie die Luft in kleinen Blasen aus meiner Brust durch meine Kehle aufstieg. Gelächter war wie eine frische Brise - es reinigte den Körper auf seinem Weg, sorgte überall für ein gutes Gefühl. Hatten andere Spezies auch ein so einfaches Heilmittel? Mir fiel keins ein.
Ich berührte meine Lippen und dachte daran, wie es sich anfühlte, Jared zu küssen, und wie es sich anfühlte, Ian zu küssen. Nicht jeder hatte das Glück, so viele andere schöne Körper zu küssen. Ich hatte es gehabt, sogar in dieser kurzen Zeit.
Es war so kurz gewesen! Vielleicht ein Jahr, ich war mir nicht ganz sicher. Nur eine kurze Umdrehung eines blau-grünen Planeten um einen gewöhnlichen hellen Stern. Das kürzeste Leben von allen, die ich je gelebt hatte.
Das kürzeste, wichtigste, herzzerreißendste aller Leben. Das Leben, das mich am meisten geprägt hatte. Das Leben, das mich schließlich mit einem Stern, einem Planeten, einer kleinen Familie von Fremden verbunden hatte.
Ein bisschen mehr Zeit… wäre das so falsch?
Nein, flüsterte Mel. Nimm dir noch ein bisschen mehr Zeit.
Du weißt nie, wie viel Zeit dir noch bleibt, flüsterte ich zurück.
Aber ich wusste es. Ich wusste genau, wie viel Zeit mir noch blieb. Ich konnte mir nicht noch mehr Zeit nehmen. Meine Zeit war um.
Ich würde sowieso gehen. Ich musste das Richtige tun, ich selbst sein, egal wie viel Zeit mir noch blieb.
Mit einem Seufzer, der von ganz tief unten, aus meinen Fußsohlen und Handflächen, zu kommen schien, stand ich auf.
Aaron und Brandt würden nicht ewig warten. Und jetzt hatte ich noch ein paar neue Fragen, auf die ich Antworten suchte. Und diesmal waren es Fragen an Doc.
In den Höhlen sah ich überall traurige, gesenkte Blicke. Es war kein Problem, unbehelligt an allen vorbeizukommen. Niemand interessierte sich dafür, was ich gerade tat, außer vielleicht Jeb, Brandt und Aaron, und die waren nicht hier.
Ich hatte kein offenes, regnerisches Feld vor mir, aber immerhin gab es den langen südlichen Tunnel. Es war zu dunkel, um in vollem Tempo zu laufen, wie ich es gern getan hätte, aber ich fiel in einen
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