Seelen
»Viel Glück, Kyle. Morgen früh kommen wir wieder.«
»Nacht, Kyle«, murmelte ich. »Bis dann, Doc.«
Doc warf mir einen bösen Blick zu, aber Ian hatte ihm den Rücken zugekehrt und Kyle starrte Jodi an. Ich hielt seinem Blick stand.
Ian begleitete mich durch den schwarzen Tunnel, ohne etwas zu sagen. Ich war froh, dass er nicht in der Stimmung für ein Gespräch war. Ich hätte mich nicht darauf konzentrieren können. Mein Magen verkrampfte und verknotete sich.
Ich war fertig - alle meine Aufgaben waren erledigt. Jetzt musste ich nur noch ein bisschen abwarten, ohne einzuschlafen. Obwohl ich so müde war, hielt ich das für kein Problem. Mein Herz hämmerte, als schlüge mir eine Faust von innen gegen die Rippen.
Kein Zaudern mehr. Es musste heute Nacht geschehen und das wusste auch Mel. Was heute mit Ian passiert war, hatte mir das deutlich gemacht. Je länger ich blieb, umso mehr Tränen und Diskussionen und Kämpfe würde ich verursachen. Und umso größer war die Gefahr, dass ich oder jemand anders sich verplapperte und Jamie die Wahrheit herausfand. Sollte Mel ihm hinterher alles erklären. Es war besser so.
Vielen Dank, dachte Mel; die Wörter brachen geradezu aus ihr heraus und ihr Sarkasmus war von Angst eingefärbt.
Tut mir leid. Es macht dir doch nicht allzu viel aus?
Sie seufzte. Wie könnte es mir etwas ausmachen? Ich würde alles tun, worum du mich bittest, Wanda.
Pass für mich auf sie auf
Das würde ich sowieso tun.
Auf Ian auch.
Wenn er mich lässt. Ich habe das Gefühl, dass er mich nicht besonders mögen wird.
Auch wenn er dich nicht lässt.
Ich tu für ihn, was ich kann, Wanda. Versprochen.
Vor der roten und der grauen Tür, die den Eingang zu seinem Zimmer verdeckten, blieb Ian im Gang stehen. Er hob fragend die Augenbrauen und ich nickte. Sollte er glauben, dass ich mich immer noch vor Jamie verstecken wollte. Das stimmte schließlich auch.
Ian schob die rote Tür zur Seite und ich ging geradewegs zu der rechten Matratze hinüber. Ich rollte mich darauf zusammen, verkrallte meine zitternden Hände vor meinem klopfenden Herzen ineinander und versuchte sie hinter meinen Knien zu verstecken.
Ian legte sich hinter mich und zog mich an sich. Sollte er ruhig - ich wusste, dass er sich in alle Richtungen ausstrecken würde, wenn er schlief -, außer dass er so spürte, wie sehr ich zitterte.
»Es wird alles gut, Wanda. Ich weiß, dass wir einen Ausweg finden werden.«
»Ich liebe dich über alles, Ian.« Es war die einzig mögliche Art, mich von ihm zu verabschieden. Die einzige Art, die er akzeptieren würde. Ich weiß, er würde sich daran erinnern und es später verstehen. »Ich liebe dich mit meiner ganzen Seele.«
»Ich liebe dich auch über alles, Wanderer.«
Er schmiegte sein Gesicht an meins, bis er meine Lippen fand, dann küsste er mich, langsam und zärtlich, wie der träge Strom des geschmolzenen Gesteins, der in der Dunkelheit inmitten der Erde anschwoll, bis mein Zittern nachließ.
»Schlaf jetzt, Wanda. Das kann alles bis morgen warten. Für heute Nacht reicht es.«
Ich nickte, wobei mein Gesicht an seinem entlangstrich, und seufzte.
Ian war ebenfalls müde, und ich musste nicht lange warten. Ich starrte an die Decke. Die Sterne über den Rissen hatten sich weiterbewegt - wo vorher nur zwei gewesen waren, konnte ich jetzt drei sehen. Ich beobachtete, wie sie vor der Schwärze des Universums blinkten und pulsierten. Sie übten keine Anziehungskraft auf mich aus. Ich verspürte keinerlei Wunsch, mich dazuzugesellen.
Ians Arme fielen nacheinander von mir ab. Er rollte auf den Rücken und murmelte im Schlaf. Ich wagte es nicht, noch länger zu warten; ich wäre zu gerne geblieben - um neben ihm einzuschlafen und noch einen weiteren Tag zu stehlen.
Ich bewegte mich vorsichtig, aber es bestand keine Gefahr, dass er aufwachte. Er atmete tief und regelmäßig und würde erst morgen früh wieder die Augen aufschlagen.
Ich drückte ihm einen sanften Kuss auf seine glatte Stirn, dann stand ich auf und schlüpfte durch die Tür.
Es war nicht sehr spät und die Höhlen waren noch nicht leer. Ich konnte den Widerhall von Stimmen hören, ein seltsames Echo, das von wer weiß wo stammen konnte. Ich begegnete niemandem, bis ich die große Höhle erreichte. Geoffrey, Heath und Lily kamen gerade aus der Küche. Ich hielt die Augen gesenkt, obwohl ich sehr froh war, Lily zu sehen. Aus den Augenwinkeln konnte ich erkennen, dass sie zumindest aufrecht ging, mit gestrafften
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