Seelen
Schultern. Lily war stark. Wie Mel. Sie würde es auch schaffen.
Ich eilte auf den südlichen Gang zu und war erleichtert, als ich in den Schutz der dortigen Schwärze eintauchte. Erleichtert und verschreckt. Jetzt war es wirklich vorbei.
Ich habe solche Angst, wimmerte ich.
Bevor Mel antworten konnte, legte sich mir in der Dunkelheit eine schwere Hand auf die Schulter.
»Wohin des Wegs?«
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B eendet
D er Griff war so fest, dass ich vor Entsetzen aufschrie; ich war so erschrocken, dass mein Schrei bloß ein atemloses Quieken war.
»Entschuldige!« Jared legte mir beruhigend den Arm um die Schultern. »Tut mir leid. Ich wollte dich nicht erschrecken.«
»Was machst du hier?«, fragte ich, immer noch atemlos.
»Dir folgen. Ich bin dir schon die ganze Nacht gefolgt.«
»Okay, dann hör jetzt auf damit.«
In der Dunkelheit war ein Zögern zu spüren und sein Arm rührte sich nicht von der Stelle. Ich duckte mich darunter weg, aber er packte mich am Handgelenk. Sein Griff war fest; ich würde seine Hand nicht einfach abschütteln können.
»Bist du auf dem Weg zu Doc?«, fragte er und es war keinerlei Unsicherheit in seiner Frage. Es war offensichtlich, dass er nicht von einem Höflichkeitsbesuch sprach.
»Natürlich«, zischte ich, damit er die Panik in meiner Stimme nicht bemerkte. »Was sollte ich nach dem heutigen Tag wohl sonst tun? Es wird ja nicht besser. Und das hier ist nicht Jebs Entscheidung.«
»Ich weiß. Ich bin ganz deiner Meinung.«
Es machte mich wütend, dass diese Worte mich immer noch verletzen konnten, mir die Tränen in die Augen trieben. Ich versuchte, an Ian zu denken - er war mein Anker, wie Kyle es irgendwie für Sunny gewesen war -, aber es fiel mir schwer angesichts von Jareds Hand an meinem Handgelenk und seinem Geruch in meiner Nase. Als wenn man versuchte, den Klang einer Geige herauszuhören, während sämtliche Schlaginstrumente drauflostrommelten …
»Dann lass mich gehen, Jared. Geh weg. Ich möchte allein sein.« Die Worte kamen heftig und schnell und hart heraus. Es war leicht zu hören, dass ich nicht log.
»Ich sollte dich begleiten.«
»Du kriegst Melanie schon früh genug wieder«, fuhr ich ihn an. »Ich bitte dich nur um ein paar Minuten. Die kannst du mir ja wohl zugestehen.«
Wieder eine Pause; seine Hand blieb, wo sie war.
»Wanda, ich würde deinetwegen mitkommen.«
Meine Tränen begannen zu laufen. Ich war dankbar für die Dunkelheit.
»So würde es sich aber nicht anfühlen«, flüsterte ich. »Also hat es keinen Zweck.«
Jared durfte nicht dabei sein. Ich konnte nur Doc vertrauen. Nur er hatte mir sein Versprechen gegeben. Und ich würde diesen Planeten nicht verlassen. Ich würde nicht als Delfin oder Blume leben und ewig um die Lieben trauern, die ich zurückgelassen hatte, die bereits alle tot sein würden, sobald ich meine Augen wieder öffnete - vorausgesetzt, ich hatte überhaupt welche. Das hier war mein Planet und keiner würde mich zwingen, ihn zu verlassen. Ich würde im Staub zurückbleiben, in der dunklen Grotte neben meinen Freunden. Ein menschliches Grab für den Menschen, der ich geworden war.
»Aber Wanda, ich … es gibt so viel, was ich dir sagen muss.«
»Ich will deine Dankbarkeit nicht, Jared. Das kannst du mir glauben.«
»Was willst du dann?«, flüsterte er mit erstickter Stimme. »Ich würde dir alles geben.«
»Pass auf meine Familie auf. Lass nicht zu, dass die anderen sie umbringen.«
»Natürlich passe ich auf sie auf«, erwiderte er brüsk auf meine Bitte. »Ich meinte dich. Was kann ich dir geben?«
»Ich kann nichts mitnehmen, Jared.«
»Noch nicht einmal eine Erinnerung, Wanda? Was wünschst du dir?«
Mit meiner freien Hand wischte ich mir die Tränen ab, aber es half nicht viel. Zu schnell folgten weitere nach. Nein, ich konnte noch nicht einmal eine Erinnerung mitnehmen.
»Was kann ich dir geben, Wanda?«, beharrte er.
Ich holte tief Luft und versuchte zu vermeiden, dass meine Stimme zitterte.
»Gib mir eine Lüge, Jared. Sag mir, ich soll bleiben.«
Diesmal zögerte er nicht. Er umarmte mich im Dunkeln und hielt mich fest an seine Brust gepresst. Er drückte seine Lippen auf meine Stirn und ich spürte seinen Atem in meinen Haaren, während er sprach.
Melanie hielt in meinem Kopf die Luft an. Sie versuchte sich wieder zu vergraben, versuchte mir für diese letzten Minuten meine Freiheit zu geben. Vielleicht hatte sie auch Angst, diesen Lügen zu lauschen. Sie wollte sich nicht daran erinnern
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