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Seelenangst

Seelenangst

Titel: Seelenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Etzold
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rote Lichtstrahl kroch weiter nach unten, »geht es um die Geschichte und Struktur des Rituale Romanum . Vorlesung fünf«, mit durchdringendem Blick schaute er hinauf in das Gewölbe des Auditoriums, »Funktion und Ablauf des Exorzismus. In Vorlesung sechs werden wir die satanistischen Sekten, Kulte, Riten und Opferungen behandeln, ehe die Interessierten unter Ihnen sich in der siebten Veranstaltung genauestens darüber informieren können, wie Sie Exorzist in Ihrer Diözese werden.«
    Sein versteinertes Gesicht hellte sich auf, wie Don Tomasso merkte. Alvaro hoffte sicherlich, dass sich viele Studenten zu diesem Schritt entscheiden würden. »Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Mächten der Finsternis, den bösen Geistern unter dem Himmel.« Er nickte den Studenten zu. »Genießen Sie Ihre Mittagspause.«

11
    Es war dunkel geworden. Draußen trommelte der Regen gegen die Fenster des kleinen Ladens im Souterrain.
    Alfred Voss, der Besitzer des alten Antiquariats in der Sophienstraße nahe dem Hackeschen Markt, freute sich auf das Glas Single Malt, das er sich gleich zum Feierabend genehmigen würde. Glas und Flasche standen schon auf dem kleinen Regal bereit, zwischen alten Landkarten und Kupferstichen aus dem 19. Jahrhundert. Der Geruch des Whiskys, vermischt mit dem alter Bücher und Leder, hing in der Luft.
    Voss wollte gerade seinen Laden für diesen Tag zumachen, als ein letzter Kunde erschien. Voss’ Angebot an Büchern – Hermetik, Geheimwissen, Magie und Okkultismus – lockte auch so manchen seltsamen Vogel an. Einige dieser Leute schienen wirklich an das zu glauben, was in den alten, staubigen Folianten stand, von denen einige für mehr als 1000 Euro über den Ladentisch gingen. Einmal hatte sich ein Kunde ein Buch über Nekromantie gekauft, die Beschwörung der Toten, um anschließend auf dem nahen Friedhof der Sophienkirche nach Leichen zu graben, die er wieder zum Leben erwecken wollte – ein Unterfangen, das ihn geradewegs in die Psychiatrie befördert hatte.
    Doch noch keiner seiner Kunden hatte eine solche Aura des Unheimlichen ausgestrahlt wie der Mann, der jetzt mit langsamen Schritten ins Antiquariat kam. Eine bedrohliche Erscheinung in einem schwarzen, abgewetzten Ledermantel mit einer seltsamen Kette um den Hals und einem grausamen Zug um den zusammengekniffenen Mund. Doch am erschreckendsten war die Sonnenbrille. Sie war so schwarz, dass man hinter den Gläsern nichts erkennen konnte, und an den Seiten abgedeckt, sodass Voss sich fragte, wie der Mann überhaupt etwas sehen konnte. Normalerweise trug man solche Brillen, wenn die Sonne hell vom Himmel brannte. Aber nicht in Berlin im Februar, an einem Tag, an dem die Wolken so dicht und tief hingen, als wäre die Erde ein Teil des trüben Himmels geworden.
    Der Mann ging wortlos und mit dumpfen Schritten zu einem der Regale, auf dem Bücher über schwarze Magie aneinandergereiht standen, nahm einige Bände heraus, schlug sie an einer bestimmten Stelle auf, als wüsste er genau, wonach er suchte, blätterte ungeduldig hin und her und überflog durch seine schwarze Brille die vergilbten Seiten. Schließlich klappte er das Buch zu, atmete aus, als wäre er wenig erfreut über das, was er gefunden hatte – oder eben nicht –, und nahm ein anderes Buch zur Hand.
    Schließlich zog er einen Taschenkalender aus seinem schwarzen, brüchigen Ledermantel und kritzelte mit einem silbernen Kugelschreiber hastig Notizen hinein, während er von Zeit zu Zeit in die Tasche griff, um eine Digitalkamera hervorzuziehen und damit Fotos von bestimmten Textstellen zu machen, wobei er die ganze Zeit vor sich hin murmelte.
    Lucifuge Rofocale … Wo ist er? … Das dritte Geheimnis … Der rote Drache … normalerweise dem sechsten und siebten Buch Mose beigebunden, aber hier nicht …
    Zwischendurch schürzte er die Lippen und gab seltsame, zischende Laute von sich, wobei Voss seine Zähne sah, die unregelmäßig in seinem Kiefer standen wie eine Reihe verwitterter Grabsteine.
    Der rote Drache … Er wirft den dritten Teil der Sterne vom Himmel … Wo ist das Tor? … Die Formel, die das Bindeglied zerbricht … Die sechstausend Stufen …
    Voss nahm all seinen Mut zusammen. Wie einen Schutzschild setzte er seine Brille auf, die an einer goldenen Kette um seinen Hals hing.
    »Kann ich Ihnen helfen?«
    Der Mann blickte sich um, wobei Kopf und Oberkörper sich in einer roboterhaften Bewegung zum Tresen drehten. Voss merkte, wie sein

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