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Seelenangst

Seelenangst

Titel: Seelenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Etzold
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Zahlungsströme von Western Union und anderen Banken aufgelistet waren. »Die Gelder wurden in verschiedenen Steueroasen angelegt, die noch keine Kontendaten mit den USA und der EU austauschen, wie die Caymans, die Gayo erwähnt, aber vornehmlich Dubai und Singapur.«
    »Wer immer diesen Stick zusammengestellt hat«, sagte Winterfeld, »woher hat er all diese Informationen? Und woher wissen wir überhaupt, dass das alles stimmt?«
    Hermann senkte den Kopf. »Wir haben pro forma ein paar Flugdaten von Kindern, die hier in den Dokumenten auftauchen, bei den führenden internationalen Fluglinien abgefragt. So weit stimmt leider alles.«
    »Sie haben sogar die Ziele in Europa passend zur kolonialen Vergangenheit des jeweiligen Landes ausgewählt, weil die Einreiseformalitäten dann einfacher sind«, ergänzte Weber. »Von Haiti aus geht es beispielsweise nach Paris Charles de Gaulle, von afrikanischen Ländern oft nach London Gatwick, von Somalia nach Rom, von Kigali in Ruanda nach Brüssel. Sind die Kinder erst einmal in Europa, kann man ihre Spur kaum noch verfolgen.«
    »Das darf doch nicht wahr sein!«, schnaubte Winterfeld. »Da läuft so eine Riesenkiste, und die Letzten, die davon erfahren, sind wir.«
    Clara betrachtete ihren Chef. Ihn schien weniger das Grauen zu beschäftigen, das Hermann und Weber mit jedem neuen Blatt, jedem neuen Ordner offenlegten, sondern eher die Tatsache, dass hier jemand war, der mehr über organisierte Kriminalität wusste als das LKA. Vielleicht wurmte es ihn auch, dass sein berühmter sechster Sinn ihn diesmal im Stich gelassen hatte.
    Weber meldete sich zu Wort. »Bei einer Weltbevölkerung von sieben Milliarden Menschen, von denen die meisten in armen Ländern leben, sind die Kinder leicht zu bekommen. Außerdem sind die … nun ja, Produktionskosten gering, und bei kaum vorhandenen Volkszählungs- und Zensusdaten werden die Kinder auch nicht vermisst.« Er gab das Papier weiter. »Angeblich werden jedes Jahr zwei Millionen Menschen als Sklaven verschifft. Gayo ist sicher nicht der Einzige, der damit Geld verdient.«
    »Menschenhandel«, sagte Clara leise.
    »Ja. Man sollte meinen, dass so etwas nicht in unsere aufgeklärte Welt passt, nicht wahr?« Weber reichte Clara ein Blatt Papier. »Sobald die Kinder beim Endkunden sind, bezahlt er sie in bar. Hier sind die Preislisten.«
    »Der Kaufpreis für Jungen und Mädchen liegt zwischen zweieinhalb und viertausend Euro, je nach Geschmack des Kunden«, las Clara vor, »für Jungfrauen bis zu zehntausend Euro.« Sie merkte, wie ihr schlecht wurde.
    Winterfeld blickte Weber an. »Sind das die üblichen Marktpreise?«
    Weber nickte. »Wenn wir das Geschäftsmodell insgesamt betrachten, ist die einzige riskante Kostenposition der Transfer der Kinder nach Europa. Den deckte Gayo mit Spenden gegen und kassierte dann fast den gesamten Umsatz als Profit, normalerweise über Bargeldtransaktionen und Gelder, die in Dubai und Singapur gewaschen werden. Das sind Margen von achtzig bis hundert Prozent. Das schafft man sonst nur noch im Drogenhandel.«
    Clara blickte auf eines der Dokumente.
    20 Euro mit allem, stand darauf, 200 Euro extra für Entjungferung. Daneben war eine Übersicht mit unterschiedlichen Altersgruppen der Kinder zwischen sieben und vierzehn Jahren. Ihr schnürte sich die Kehle zu. Diese Typen hatten an alles gedacht. Dann ein weiteres Blatt mit Festpreisen. »Flatrate« stand daneben.
    »Die Kunden behalten die Kinder also für immer?« Clara schaute Weber an.
    Der nickte. »Oder so lange, bis sie die Lust an ihnen verlieren. Viele sind katatonisch und können nicht mehr sprechen, manche werden an Bettelbanden weitergegeben. Ihr kennt doch die Kinder, die einen am Alexanderplatz Tag und Nacht anbetteln. Auch das wird von Banden organisiert, in diesem Fall von Gangs aus Rumänien. Jeden Morgen, bevor man sie losschickt, werden die Kinder gezwungen, Haarshampoo und Ähnliches zu trinken, damit sie möglichst krank und mitleiderregend aussehen. Würde mich nicht wundern, wenn manche von denen aus Gayos Imperium kommen.« Er kniff den Mund zusammen. »Und einige davon, wie Lukas, landen im Kinderheim.«
    »Kann Lukas uns irgendetwas dazu sagen?«, fragte Winterfeld. »Oder diese Schwester … wie hieß sie noch?«
    »Viktoria Brigl«, sagte Hermann. »Wir hatten sie vorhin hier, konnten aber nicht allzu viel herausfinden, bloß ein paar Dinge zum Hintergrund des Jungen. Aber den Fremden, der Lukas den Stick gegeben hat, hat sie

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