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Seelenangst

Seelenangst

Titel: Seelenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Etzold
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nicht gesehen.«
    »Und Lukas? Habt ihr mit dem gesprochen?«
    »Ja und nein«, sagte Clara. »Lukas ist katatonisch und kann nicht sprechen. Vielleicht lernt er es durch Therapie irgendwann wieder, aber im Moment malt er nur mit Wachsstiften ziemlich düstere Bilder. Die werden uns aber nicht helfen. Wir versuchen, über Phantombilder eine ungefähre Beschreibung desjenigen zu bekommen, der ihm den Stick gegeben hat.«
    »Wissen wir denn jetzt, wie diese Person aussieht?«, fragte Winterfeld.
    Hermann zuckte die Schultern. »Die Zeichner sind gerade dabei, ein Phantombild zu erstellen.«
    »Wann sind sie fertig?«
    »Hoffentlich bald. Lukas ist noch bei ihnen.«
    »Und der Junge wurde von so einem … Endkunden gefangen gehalten und missbraucht?«, fragte Clara.
    »Ja. Der Mann hieß Norbert Reling«, sagte Hermann. »Er ist vor zwei Jahren aufgeflogen und wurde in den größten deutschen Knast gesteckt, die JVA Berlin Tegel. Hat dann ein paar Mittelsmänner verpfiffen, die ebenfalls eingebuchtet wurden. Aber Gayo ist offenbar niemals in die Sache reingezogen worden. Wir haben vorhin in Tegel angerufen.«
    »Und was sagt dieser Reling?«, fragte Winterfeld.
    »Der sagt gar nichts mehr«, antwortete Hermann. »Typen wie der haben’s im Knast nicht leicht. Er wurde vor einem Jahr getötet. Ein Mithäftling hat ihm eine angespitzte Zahnbürste in die Halsschlagader gerammt.«
    Winterfeld atmete geräuschvoll aus, während er die Hände verschränkte und die Gelenke knacken ließ. »Lass uns gleich mal überlegen, wie wir das alles Bellmann nahebringen, nachher in der Konferenz. Er wird nicht allzu begeistert sein. Und dieser Unbekannte, der Lukas den USB-Stick gegeben hat – wieso weiß er das alles?« Er blickte die Versammelten der Reihe nach an. »Und es wäre gut zu erfahren, ob Gayos Hintergrund mit seiner Ermordung zu tun hat. Ich glaube, das könnte der Fall sein, aber wir wollen nicht glauben, wir wollen wissen.« Er reckte das Kinn. »Und war da nicht noch so ein Zettel? Was ist damit?«
    Hermann zeigte eine Kopie des Blattes mit der aufgeklebten Schreibschrift und dem kryptischen, dennoch bedrohlichen Text:
    Und alle Vögel wurden satt von ihrem Fleisch.
    »Was hat das nun wieder zu bedeuten?«, fragte Winterfeld. »Weiß jemand, wo dieser Spruch herkommt?«
    »Offenbarung des Johannes«, sagte Clara. »Hermann hat’s rausgefunden.«
    »Wusste nicht, dass du so bibelfest bist«, sagte Winterfeld und blickte Hermann an. Der zuckte die Schultern.
    »War ziemlich einfach bei Google zu checken«, erwiderte Clara. »Zu einfach.«
    »Du meinst, es war so gewollt, dass wir es schnell finden?«, fragte Winterfeld.
    Clara nickte. »Ganz genau.«
    »Und was steht da noch?«, fragte Winterfeld.
    »Offenbarung, Kapitel 19, Vers 21. Das Ende des Tieres und des falschen Propheten. Der Spruch auf dem Papier ist der letzte Satz.«
    Clara beugte sich nach vorne und las vor: »Und ich sah einen Engel in der Sonne stehen, und er rief mit großer Stimme allen Vögeln zu, die hoch am Himmel fliegen: Kommt, versammelt euch zu dem großen Mahl Gottes und esst das Fleisch der Könige und der Hauptleute und das Fleisch der Starken und der Pferde und derer, die darauf sitzen und das Fleisch aller Freien und Sklaven, der Kleinen und der Großen. Und das Tier wurde ergriffen und mit ihm der falsche Prophet, der vor seinen Augen die Zeichen getan hatte. Lebendig wurden diese beiden in den feurigen Pfuhl geworfen, der mit Schwefel brannte. Und die anderen wurden erschlagen mit dem Schwert, das aus dem Munde dessen ging, der auf dem Pferde saß.«
    Sie schaute auf den Ausdruck und las den letzten Satz.
    »Und alle Vögel wurden satt von ihrem Fleisch.«
    »Das könnte eine Verbindung zu dem Spruch ›Mein Name ist Legion sein‹«, sagte MacDeath. »Gut möglich, dass es – jenseits des Namens auf dem Stick – eine Verbindung zwischen dem Mord an Gayo und diesem Material gibt. Möglich auch, dass derjenige, der diese Informationen zusammengestellt hat, ebenfalls mit dem Mord zu tun hat.«
    »Und der ›falsche Prophet‹?«, fragte Clara. »Könnte damit nicht Gayo selbst gemeint sein? Er hatte das Gute gepredigt, aber das Böse getan.«
    MacDeath nickte. »Absolut.«
    »Das hat uns gerade noch gefehlt!«, schnaubte Winterfeld. »Das ist zum einen ein religiöser Fanatiker und dazu noch ein vollkommen wahnsinniger Ober-Psychopath. Zum anderen jemand, der mit äußerster Brutalität und grenzenlosem Sadismus vorgeht.« Er blickte in

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