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Seelenangst

Seelenangst

Titel: Seelenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Etzold
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die Runde. »Außerdem weiß er entschieden mehr als wir, besonders, wenn es um Dinge geht, die viel eher wir wissen müssten.«
    Erich Weber erhob sich.
    »Tja, Kollegen, ich muss leider meinen Flieger kriegen.« Er zog sich das Sakko über und gab allen die Hand.
    »Ich melde mich, wenn ich mal in der Nähe bin, Erich«, sagte Winterfeld. »Aber ganz sicher noch vor deinem Ruhestand.«
    Weber nickte und verschwand.
    Winterfeld schaute alle der Reihe nach an. »Mir schwirrt der Kopf«, sagte er. »Wir sollten uns jetzt eine gute Storyline überlegen, die wir Bellmann mundgerecht servieren, denn wenn wir das alles ungefiltert auf ihn abfeuern, wird er wahnsinnig – oder er denkt, wir sind es.«

30
    Clara stand neben Winterfeld und MacDeath am offenen Fenster und atmete die kalte Herbstluft ein. Spenden einsammeln, um damit Kinderprostitution zu bezahlen. Sie konnte es noch immer nicht fassen. Was sie auf dem USB-Stick gesehen hatte, war so grauenvoll und ungeheuerlich gewesen, dass sie für einen Moment daran zweifelte, ob ein Wesen wie der Mensch überhaupt eine Daseinsberechtigung auf dieser Erde hatte. Sie hielt den warmen Kaffeebecher mit beiden Händen an die Brust gedrückt, während sie in den grauschwarzen Februarhimmel blickte, der sich über Berlin spannte wie ein schmutziges Leichentuch.
    Winterfeld blickte sie an. »Ich weiß nicht, wen wir zuerst jagen sollen. Die Kinderschänder, die Banden, das Umfeld von Gayo oder vielleicht auch mal den Killer.« Er stemmte eine Hand in die Hüfte. »Fassen wir noch mal zusammen. Das ist also jemand, der religiös motiviert, sadistisch, äußerst methodisch und scheinbar allwissend ist. Richtig?«
    »Ja. Und den wir hoffentlich bald haben«, sagte Clara, »so viele Fingerabdrücke, wie er überall hinterlässt.«
    »Abwarten«, sagte Winterfeld. »Dinge, die leicht aussehen, sind es nicht immer. Und überhaupt …« Er schien zu überlegen, wie er den nächsten Satz formulieren sollte. »Wieso jagen wir diesen Kerl überhaupt? Er bringt die Typen um, die eigentlich wir hinter Schloss und Riegel bringen sollten. Und das einfach und schnell, ohne Prozess, ohne Anwälte, ohne Kaution, ohne Berufung, ohne irgendwas.« Er schürzte die Lippen. »Genau genommen macht er unseren Job.«
    Clara schüttelte den Kopf. »Mein lieber Kriminaldirektor Winterfeld, das habe ich jetzt aber nicht gehört.«
    »Natürlich nicht«, sagte Winterfeld und kniff ein Auge zu. »Wir setzen uns gleich zusammen und überlegen uns die Storyline für das Gespräch mit Bellmann. Einer von uns sollte ihm vorher allerdings Beruhigungsmittel in den Kaffee mischen.«
    Am Ende des Ganges ertönten schwere Schritte. Hermann kam auf sie zu, in der Hand ein DIN-A3-Blatt.
    »War gerade unten bei den Psychologen«, sagte er. »Das haben die Phantomzeichner gemeinsam mit Lukas rausgefunden. Und dann hat er noch ein paar Bilder gemalt. Mit Wachsstiften. Die meisten ziemlich düster, mit viel Rot und Schwarz.«
    »Zeig mal her«, sagte Winterfeld.
    MacDeath seinerseits griff nach den Wachsmalereien des Jungen, um sie später zu analysieren.
    Alle schauten auf die Zeichnung des Phantomzeichners des LKA. Sie zeigte einen mittelgroßen Mann in einem schwarzen Mantel. Die Haare kurz, das Gesicht hager und eingefallen. Besonders auffällig war die schwarze Brille, die auch an den Seiten abgedunkelt war.
    »Dieser Typ hat Lukas den Stick gegeben?«, fragte Winterfeld.
    Hermann zuckte die Schultern. »Scheint so. Erzählen konnte der Junge uns ja nichts.«
    Winterfeld presste die Lippen zusammen. »So ein Mist. Wenn der Kerl die Sonnenbrille abnimmt, sieht er vermutlich ganz anders aus. Gar nicht so dumm, unser Killer.«
    »Falls er der Killer ist.«
    »Lasst mich mal kurz nachdenken.« Clara kniff die Augen zusammen, dann wandte sie sich an MacDeath.
    »Sie sagten vorhin, dass Albert Fish sich selbst verletzt hat, sozusagen als Opfer an Gott oder wen auch immer?«
    MacDeath nickte.
    »Könnte die Sonnenbrille nicht auch für so etwas sprechen?«
    »Wie meinen Sie das?«, fragte Winterfeld.
    »Vielleicht hat er irgendwas …«, Clara schaute kurz zur Decke, »mit seinen Augen angestellt.«
    »Wir werden sehen«, sagte Winterfeld. »Das geht sofort ans BKA und an Erich Weber. Auch die Sache mit den Augen, falls da irgendwas sein sollte. Und auch wenn dieser Mann nicht der Killer ist, handelt es sich offenbar um jemanden, der eine Menge über Gayos Machenschaften weiß. Mehr als wir jedenfalls. Wenn wir ihn finden,

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