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Seelenangst

Seelenangst

Titel: Seelenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Etzold
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einen SS-Sonderverband und einen Pharmakologieprofessor, die nach einer Droge für eine Spezialeinheit suchten. Die haben das Zeug entwickelt. Es ging auch an die Elitetruppen der Waffen-SS – die Burschen, vor denen die Sowjets heute noch Angst haben. Division Viking, Leibstandarte Adolf Hitler und so weiter. Das waren Killermaschinen. Allein das Wort ›Viking‹ reichte, dass die Rote Armee sich in die Hosen machte.«
    Kremmer schien eine eigentümliche Faszination für das besiegte Dritte Reich zu haben.
    »Und die haben diese Droge benutzt?«, fragte Clara.
    »Oder ein Vorgängerpräparat. Stalin und die Generäle der NVA hat die Wirkung jedenfalls so sehr überzeugt, dass das Präparat weiterentwickelt wurde. Man wollte NVA-Selbstmordkommandos damit ausstatten. Sie sollten in Westdeutschland Sabotageaktionen durchführen, bevor ein Atomschlag geführt werden würde. Die armen Kerle wären dann verstrahlt oder tot gewesen, aber das hat man in Kauf genommen. Die Soldaten ebenfalls, wegen der Drogen.«
    Clara lief es kalt den Rücken herunter. Die Strategie war ähnlich selbstmörderisch und menschenverachtend wie die der Waffen-SS. Und ähnlich dem Vorgehen von Mandy und der unheimlichen Mächte, die sie steuerten.
    »Können Sie uns etwas über die Zusammensetzung sagen?«, fragte MacDeath. »Das klingt nach einer Stimulanz auf Amphetaminbasis.«
    »Ist es auch.« Kremmer nickte. »Und die Zusammensetzung weiß ich noch auswendig – wenn Sie mitschreiben wollen?« Er lehnte sich zurück, als würden die Formeln vor seinem inneren Auge auftauchen. »D-IX enthielt fünf Milligramm Kokain, drei Milligramm Pervitin und fünf Milligramm Eukodal, das ist ein schmerzstillendes Morphinpräparat. Dazu kam noch reines synthetisches Kokain der Firma Merck. Es ist wichtig, dass es rein ist.«
    »Man stirbt nicht an Drogen«, sagte MacDeath, »man stirbt nur an schlechten Drogen. Hat Keith Richards gesagt.«
    »Den kenne sogar ich, Rolling Stones«, sagte Kremmer. »Das Zeug wurde in den Berliner Temmel-Werken hergestellt. Ab 1938 lieferten die mehr als dreißig Millionen Tabletten an Heer und Luftwaffe. Ebenso an die U-Boot-Flotten und die Kampfschwimmereinheiten der SS-Jagdkommandos. Auch an die Armeeverbände, die Frankreich überfallen haben. Man könnte sagen: Der Blitzkrieg war voller Speed. Die Jungs brauchten dann bei Dauermärschen nur zwei bis drei Ruhepausen pro Tag und nur drei Stunden Schlaf pro Nacht.«
    »Und das Präparat wurde oral eingenommen?«, fragte MacDeath.
    »Ja, es sollte ja einfach gehen. Spritzen wäre zu kompliziert gewesen.« Kremmer putzte seine gelbliche Brille an seinem zerknitterten Hemd. »Man nannte diese Pillen damals Panzerschokolade, Stuka-Tabletten oder Hermann-Göring-Pillen.«
    MacDeath schrieb eifrig in sein Notizbuch.
    »Das Zeug ging dann über die Wehrmachtsgeneräle der NVA an die Armee und die Stasi.« Er lächelte wieder, ohne dass sein Lächeln die Augen erreichte. »Und damit auch an mich.«
    MacDeath und Clara schauten sich an. Sie schienen beide das Gleiche zu denken.
    »Haben Sie noch ein paar von diesen Pillen übrig?«
    Kremmer kniff ein Auge zu und stand auf. Jetzt lächelte er wirklich.
    »Ein bis zwei«, sagte er. »Weil Sie es sind.«

15
    Auf dem Rückweg von Kremmer und der Allee der Kosmonauten hatte Hermann angerufen. »Komm mal schnell vorbei«, hatte er gesagt. »Und trink vorher einen starken Kaffee.«
    »Damit ich noch wacher bin als eh schon?«, hatte Clara gefragt.
    »Hast recht, passt eigentlich nicht. Nimm lieber Valium.«
    »Ich bin gleich da.«
    Nun saß Clara wieder in Hermanns vollgestopftem Büro. Vorher hatten sie die Pillen, die Kremmer ihnen überlassen hatte, bei Professor Marquard in Bonnys Ranch abgegeben.
    »Der Tote heißt Hendrik Ostmann«, sagte Hermann, »wir konnten ihn anhand der Fingerabdrücke identifizieren.«
    »Gibt es eine Akte?«
    »Nicht ganz.« Hermann gähnte und wühlte auf dem Chaos auf seinem Schreibtisch in einigen Unterlagen. »War früher in ein paar Gangs aktiv, Ladendiebstähle und so was.«
    »Haben wir seine Adresse?«
    Hermann nickte. »Auch in Spandau. Die Kollegen fahren gleich hin. Willst du mit?«
    »Ich fürchte, das schaffe ich nicht«, sagte Clara. Sie dachte an MacDeath, Mandy und die vielen losen Enden, die noch lange nicht zu einem Ganzen zusammengeknüpft waren. »Wir brauchen in jedem Fall einen Hausdurchsuchungsbefehl. Sag Bescheid, wenn es irgendwo hakt.«
    Sie blickte einen Moment aus dem

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