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Seelenasche

Titel: Seelenasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Zarev
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staatliche Sportuniversität. Selbst quadratisch, kräftig und kantig, hatte er nun alles um sich versammelt, was einmal ein Ruder oder ein Paddel gehalten hatte, zusätzlich bediente er sich für einen kleinen Obolus nach Belieben der willigen Elendsgestalten aus dem Zigeunerviertel. Er war auf unerfindliche Weise an ein immenses Vermögen gekommen; nun galt er als »erfolgreicher Geschäftsmann« und zählte zur kleinen Business-Elite der Stadt.
    Seine Büroräume befanden sich im ehemaligen Bezirkskomitee der Partei, einem gewaltigen, marmorverkleideten Klotz in Tortenform direkt gegenüber dem Kriegsgefallenendenkmal, für dessen Erbauung viele schöne alte Villen am Marktplatz hatten weichen müssen. Um zu Pavka zu gelangen, musste man durch den Haupteingang, vor dem – ungeachtet aller Halteverbotsschilder – sein schwarzer Mercedes 600 parkte.
    Drinnen war es ungeheizt. Die Flure der einstigen Machthaber hallten so steinern und verlassen, dass man meinte, man ginge durch ein labyrinthisches Mausoleum, bei dem keiner mehr wusste, in welchem Zimmer nun die Mumie lag. Krum erinnerte sich noch gut, mit welcher Empörung sein Vater reagiert hatte, als die selbstgefällige örtliche Nomenklatura in frechem Zynismus tief in die volkseigenen Kassen gegriffen hatte, um den Bau dieses Parteipalastes zu realisieren.
    Um zu Pawel Tscholev zu gelangen, musste Krum weit ins Innere dieser Steintruhe vordringen, denn sein alter Klassenkamerad hatte sich in den Räumen des ehemaligen Ersten Bezirkssekretärs ausgebreitet. Beim Eintreten erblickte er einige Muskelpakete, die es sich auf den Kunstlederkanapees bequem gemacht hatten. Krum kannte sie alle von früher, als sie – noch nicht so aufgepumpt von Anabolika – auf der Donau herumgepaddelt waren. Die Jacketts der Leibwächter waren aufgeknöpft, und man sah die Lederriemen und Halfter, in denen ihre Maschinenpistolen staken. Sie lächelten ihm drohend zu. Nur für alle Fälle, nur damit er Bescheid wusste …
    Im Vorzimmer der Sekretärin herrschte eine Bullenhitze. Dies mochte wohl auch die Ursache dafür sein, dass das Mädel so leichtbekleidet war – oder war es umgekehrt? Sie bot dem interessierten Betrachter kräftige Schenkel, ein ausgeprägtes Hinterteil und servierte ihm ihre Brüste provozierend auf einem Push-up-BH. Ihre Gesichtszüge waren regelmäßig, aber von puppenhaft toter Schönheit. Das geräumige Zimmer war ausgestattet mit einer stattlichen Garderobe, einem Schrank, einem Einbaukühlschrank, einem Bibliotheksschrank ohne Bücher und einem gewaltigen Schreibtisch aus massiver Eiche. Darauf standen eine Kaffeemaschine und drei Telefone, von dem eines zwölf Leitungen und ein Blinklicht hatte, das Krum einladend zuzwinkerte. Das Fräulein nickte ihm beim Eintreten nachlässig und von oben herab zu, zog ihren Minirock, der nicht länger war als ein Kaffeehausschürzchen, zurecht und ging zu ihrem Chef hinein.
    Das Büro Pawel Tscholevs war so groß, dass die Schritte auf dem Steinboden hallten. Der frischgebackene Geschäftsmann hatte seinen Bürostuhl aus echtem Leder vom Schreibtisch abgerückt und seine Beine nach Cowboy-Manier daraufgelegt, damit die fünf Telefone sich auf dem ansonsten leeren Ungetüm, das noch größer war als das der Sekretärin, nicht so allein fühlten. Auf einem modernen Beistelltischchen aus heller Eiche dampfte schon der Kaffee. Daneben prangte echter Malt-Whisky, »12 years old«, wie das Etikett versprach.
    Â»Na endlich, Kleiner«, rief Pawel aus, »ich warte hier schon eine geschlagene Stunde, dass du angerudert kommst.«
    Â»War halt unvorbereitet«, erwiderte Krum. »Dein Fräulein Sekretärin hat mich beim Rasieren angetroffen.«
    Sein alter Mitschüler lachte derart, dass sein ganzer Quadratschädel mitsamt der ungehorsamen Locken darauf erbebte und seine weißen Zähne aufblitzten. Dieses Fräulein Sekretärin aber auch! Da gab er dem doch gleich mal einen neckischen Klaps auf das ausgeprägte Popöchen.
    Â»Aber Herr Tscholev, nicht doch.«
    Â»Keine Bange, Zezi, little Marijkin ist unser Mann! Alter Klassenkamerad von mir, hab von ihm in Mathe abgeschrieben. War garantiert richtig!«
    Mit lauem Lächeln verschwand Zezi durch die Tür wieder in ihr Reich. Tscholev nahm die Füße vom Schreibtisch, stand auf und kam näher. Er war

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