Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Seelenasche

Titel: Seelenasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Zarev
Vom Netzwerk:
Gesellschaft.«
    Â»Sie sehen mich verwirrt und im Zwiespalt«, bekannte Christo, »einerseits inspiriert und beflügelt, andererseits beklommen und total verwirrt.«
    Â»Das glaube ich Ihnen gern«, sagte Petrov, machte sich aber nicht die Mühe, seinen Neid zu verbergen, den Neid eines Mannes, der nichts als Unterordnung und Gehorsam kannte. Und Verachtung. Verachtung dafür, dass solche Schmeißfliegen wie Christo im Wirbel der Ereignisse hochkamen, und nicht so unbestechlich-treue Diener wie er. »Sie werden mir fehlen.«
    Â»Sie mir ebenfalls«, erwiderte Christo zu seinem eigenen Erstaunen, aber mit dem Wissen, dass dies keineswegs vollkommen gelogen war.
    Eine alte Frau vom benachbarten Wohnblock begann, einen Teppichläufer auf ihrem Balkon auszuklopfen. Das Knallen, das der Teppichklopfer erzeugte, schnitt sich penetrant in sein Bewusstsein. Die Sonne wanderte um das Gebäude herum und begann, die Brandmauer gegenüber zu bescheinen, die auf einmal aussah, als lächle sie. Aber auch sie lächelte nicht Christo zu, sondern nur bei sich. Plötzlich spürte Christo, dass er zitterte vor Angst … und schämte sich. Noch einmal ein halbes Glas von dem bernsteinfarbenen Zaubertrank!
    Â»Wir betrinken uns hier noch!«, rief Petrov beinah freudig aus.
    Â»Dann betrinken wir uns halt!« Die Angst hatte ihn inzwischen an der Kehle gepackt und er schaffte es gerade noch, einen Schluck durch die enger werdende Kehle zu würgen.
    Â»Am Montag fliegen Sie nach Berlin.«
    Â»Die Würfel sind gefallen.«
    Â»Von dort weiter nach München. Alles wird glattgehen, Sie brauchen sich nur strikt an die Instruktionen zu halten.«
    Â»Natürlich halte ich mich daran, was denn sonst!«
    Â»Nach Ihrer Rückkehr werden Sie schon nicht mehr derselbe sein.« Die Stimme des Majors sank zu einem Flüstern herab, als verrate er ihm gerade ein Staatsgeheimnis. »Sie müssen sich auch ganz anders kleiden, von den Schuhen angefangen.«
    Â»Von den Schuhen angefangen«, echote Christo.
    Â»Ach, ich hätte fast vergessen … Herr Grigorov schickt Ihnen …« Er öffnete seinen altmodischen Tornister, holte ein in Zeitungspapier eingeschlagenes Päckchen heraus und einen Umschlag aus wohlriechendem, gelblichem Papier, vermutlich echtem Bütten, der mit einem roten Wachssiegel sorgsam verschlossen war. »Da drin sind fünftausend Deutsche Mark und ein persönlicher Brief an Sie. Das Geld müssen Sie ihm in spätestens einem Monat zurückgeben, den Brief möchten Sie bitte höchst aufmerksam und laut lesen.«
    Â»Welcher Grigorov?«
    Um das Zittern seiner Hände zu verbergen, stopfte Christo Briefumschlag und Päckchen in die Seitentasche seines Sakkos.
    Â»Wie, welcher Grigorov? General Grigorov natürlich.«
    Beide schwiegen. Erschöpfend lange, so lange, dass ihnen langweilig wurde. Von der Nervenanspannung, der Angst, dem Whisky wurde Christo plötzlich schläfrig. Schließlich rührte sich der Geheimdienstler und in seinen undurchsichtigen, bläulichen Augen blitzte für einen Moment feierlicher Stolz auf.
    Â»Sie können mir übrigens gratulieren«, sagte er ohne Freude in der Stimme.
    Â»Ich gratuliere Ihnen.«
    Â»Aber Sie wissen doch noch gar nicht, wozu?«
    Â»Wozu?« Christo horchte auf das Rieseln der undichten Toilettenspülung.
    Â»Sie fliegen nach München, ich bin befördert worden.« Er lächelte mit unverhüllter Selbstironie. »Ich bin ab sofort Oberstleutnant.«
    Â»Oh, das ist ja phantastisch, das ist geradezu …«
    Â»Ich werde aber bald bei meiner Dienststelle aufhören.« Petrov überlegte einen Moment, ob es sich lohnte, weiterzusprechen, aber der Alkohol hatte auch seine Zunge schon zu sehr gelockert. »Der General braucht mich.«
    Â»Welcher General?«
    Â»Wie, welcher General? General Grigorov natürlich.«
    Â»Oh, entschuldigen Sie.«
    Â»Er plant, den alten Zaren zurückzuholen.« Der frischgebackene Oberstleutnant schaute ihm zwischen die Augen, sah ihn aber nicht.
    Â»Oje, welchen Zaren? Heute spannen Sie mich aber wirklich auf die Folter!«
    Â»Zaren gibt’s nur einen. Den, den wir als Kind in die Verbannung geschickt haben, und der heute in Madrid lebt!«
    Â»Na, denn prost!« Christo spürte jetzt, wie betrunken er war. Er hob die Flasche, aber die war hoffnungslos leer. Der Bauch tat

Weitere Kostenlose Bücher