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Seelenasche

Titel: Seelenasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Zarev
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gesehen, in der bunkerhaften Abgeschiedenheit des Innenministeriums. Da waren Sie es gewesen, der um das Treffen bat, um Justizminister Sdravkov besser einschüchtern und in die Enge treiben zu können. Nur zweimal in achtzehn Jahren … Sie haben jedoch sicher keine Vorstellung, wie aufmerksam, einem Biochemiker im Labor vergleichbar, ich die Entwicklung meines Versuchstiers verfolgt habe, wie viel Zeit und Gedanken ich auf Sie verwendet habe, und wie ich als Spezialist und Fachmann mit wachsendem Interesse, schließlich sogar mit Erstaunen, Ihre Berichte gelesen habe, die man zutreffender vielleicht als belletristische Werke bezeichnen sollte. Sie sind mit so viel Sinn für Dramaturgie und derart phantasievoller Menschenkenntnis geschrieben, dass mancher Berufsschriftsteller Sie um Ihr Talent beneiden würde.
    Ja, in diesen annähernd achtzehn Jahren haben Sie etwas wie einen Roman geschrieben, einen schmerzhaft realistischen Roman bis hin zu den Absurditäten des Lebens, in dem alles präzise und wahrheitsgetreu ist, weil es – ausgedacht ist. Anfangs habe ich mir die Mühe gemacht, einige Ihrer Aussagen zu überprüfen. Dadurch bekam ich rasch heraus, dass Sie uns hemmungslos und – wie ich damals dachte – verantwortungslos belügen. Sie werden es sicher unschwer nachvollziehen können, dass sich darüber bei mir eine tiefe Verärgerung anstaute. Ich war schließlich für Sie verantwortlich im Auftrag einer Dienststelle, in der alle Fäden zusammenliefen, mit denen der Staat durch unsichtbare, aber lückenlose Kontrolle seine Macht aufrechterhält. Sie haben ja nicht nur mich belogen, sondern vor allem auch die staatliche Ordnung, für die ich arbeitete mit all ihren Institutionen und ihrer Immunität.
    Ihr auffälliger Fleiß, Ihr übertriebenes Bemühen, uns zu dienen, weckte aber meinen Verdacht. Die ersten Berichte, bei denen mein inneres Warnlämpchen aufleuchtete, waren Ihre Berichte über Ihre Tante, die verehrte und bekannte Schauspielerin Emilia Weltscheva. Seltsam, dachte ich: Er schwärzt die Frau nicht an, sagt nichts Handfestes, sondern sucht eher Rechtfertigungen für sie, streitet dabei mit sich selbst, ist hin- und hergerissen zwischen Begeisterung und Wut auf das Objekt. Aus Ihnen sprach eine solche Ehrerbietung und seelische Überspannung, als wären Sie ein drogensüchtiger Mensch, der endlich an seinen Stoff gekommen ist. Mein Verdacht wurde zur Gewissheit, als dann die Berichte über Ihren Vater eintrudelten. Nun hatte ich ohnehin längst aufgehört, Pawlik Morosow für einen Heiligen zu halten, der im Namen der gerechten Sache seinen eigenen Vater der Vernichtung überliefert hatte. In Ihren Texten nun brodelte eine so rührend dem Freud’schen Vaterhass-Modell entsprechende Wut auf Ihren Erzeuger, gepaart mit der begleitenden Angst vor (in diesem Falle moralischer) Kastration, dass ich Ihnen definitiv kein Wort mehr glaubte. Ich verstand aber durch Ihre Berichte, dass aus für mich unerfindlichen Gründen Ihr Herr Vater, der hochverehrte Jura-Professor und ergebene Kommunist Alexander Weltschev, eigentlich ein Versager und vollendeter Schuft ist. Noch interessanter zu erfahren, dass er ein heimlicher Gewalttäter ist, ein Mann, der in für Sie und Ihre Moral unverzeihlicher Weise perverse, sadistische Gewalt verübt.
    Im Laufe der Zeit konnte ich mich immer stärker davon überzeugen, dass Sie (auf die Gefahr hin, sich selbst in Schwierigkeiten zu bringen) gezielt die unterschiedlichsten Dreckskerle, kaltblütigen Opportunisten und abartigen Persönlichkeiten angeprangert haben, die es wirklich verdienten, bestraft zu werden. So haben Sie Ihre in diesen zynischen Zeiten kaum noch aufrechtzuerhaltende, immer seltener anzutreffende Gewissensreinheit bewahrt und sich, indem Sie scheinbar fieser Denunziant waren, für jene Gerechtigkeit eingesetzt, die uns in den Kämpfen des realen Lebens verlorengegangen ist. Eines Tages wurde mir klar, dass Sie bereit sind, sich zu opfern, selbst vernichtet zu werden, sollte dadurch wenigstens ein Teil dieser idealen Gerechtigkeit wiederhergestellt werden. Ich musste an die Osterhymne denken, wo es über Jesus Christus heißt: » Der Tote hat den Tod besiegt.« Aber in unseren Zeiten hat sich die Spirale weitergedreht, und Sie haben das gespürt und DAS BÖSESEIN BENUTZT, UM DAS BÖSE ZU BESIEGEN ! Sie haben also durch Ihre

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