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Seelenasche

Titel: Seelenasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Zarev
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Komödie , obwohl ihr – wie sie sagte – »alles andere als nach Lustspielchen zumute« sei. Sie spielte immer besser, mit immer größerer Intuition, und verdiente dabei genug, um ihre Miete zu bezahlen. Verdiente sie mal mehr, verpulverte sie ihre Honorare für lauter sinnlose und unnötige Dinge.
    Â»Hör doch einfach auf mit dem Denken«, versuchte Dessislava es mit freundschaftlichem Rat.
    Â»Kann ich nicht, Dess, dann platzt mir die Rübe!« Sie zog zur Veranschaulichung eine passende Grimasse. »Ich brauch irgendwas … Na komm, mach mir die Freude, und lass uns endlich unser eigenes Theaterchen auf die Beine stellen.«
    Â»Weißt du, wie viel Penunzen man dafür braucht?«
    Â»Nur so ein ganz kleines, so ein Liliputaner-Bühnchen. Ich, du und noch jemand. Weißt du, Dess, einfach nur, damit wir irgendwo unser Kunst-Dingens durchziehen können, wo uns kein aufgeblasener Dummbeutel dazwischenfunkt, verdammte Scheiße nochmal.« Bei Flüchen der saftigen Sorte ging es ihr spürbar besser.
    Â»Ich überleg’s mir.«
    Â»Stell dir doch mal vor: Im Bauchnabel von Sofia, mittendrin, aufm gelben Pflaster und so … Das Museum der revolutionären Bewegung wäre supi geeignet, das können wir so nehmen, wie es ist, so abgegrast und ausgeschlachtet, mitsamt Graffiti anne Wände, schmutzige Sprüche und dieses Pfeile-Herzchen-liebe-dich-Gedöns … Da hast du dein Gegenwartstheater – und die ganze Gegenwart ist schon drin! Wir montieren eine Leiste mit zehn Bühnenstrahlern an, hängen ’nen Vorhang auf, und fertig ist die Kiste!«
    Â»Bitte, Maja, hör auf damit, sonst muss ich gleich was ganz anderes trinken als Kaffee!«
    Â»Die Leute sitzen auf dem Boden oder auf alten Parkbänken, das sagt doch alles, das ist schon … Die Zuschauer gehören mit zum Bühnenbild.«
    Dessislava hatte Angst, wenn Maja nicht gleich aufhörte, würde sie anfangen zu heulen.
    Â»Ist ja schon gut, ich denk wirklich drüber nach!«
    Â»Und dann machst du deinen Hamlet, den echten, der’s einfach nicht auf die Reihe kriegt, wer er Himmel-Arsch-und-Zwirn-nochmal eigentlich ist! Wie dich der Sotirov, weil er selber eine ist, zur Weichschnecke machen wollte, igitt. Müsstest mal sehen, wie der jetzt um die Akademie rumschleicht mit so ’ner Charlie-Chaplin-Melone auf dem Kopp, und mit sooo Augen glotzt der, ob ihn noch einer erkennt.«
    Draußen gingen zwei Beine mit etwas Weißem, Lockigem vorbei: einem Bologneser. Dann, langsamer, zwei Hosenbeine mit Gehstock.
    Â»Du hast ja keine Ahnung, wie viel Penunzen …«
    Â»Nu hör aber mal auf mit diesen Penunzen. Kunst macht man mit Wollen, Können und mit Opfern. Ja, mit Talent und Entbehrungen. Das hab ich auch diesem Waschlappen von Bobby eingetrichtert, aber der meinte ja, er muss die Flatter machen, nach Ottawa, seinen Rausch beim Anstreichen ausschwitzen. Hab ich’s dir schon gesagt? Er hat sich jetzt ’n Auto gekauft, da schau mal einer an …«
    Â»Nein, hast du nicht.«
    Zu spät! Die Tränen liefen. Nun war es auch egal. Dessislava zog ihr Taschentuch und wischte sich die Augen trocken; aber es kamen neue und immer neue, peinlich und sichtbar wie Aknepickel.
    Â»Du wirst unser Impresario, meine Wenigkeit ist mit von der Partie, Sim … Oh, ’tschuldige, Dess, stimmt das eigentlich, was ich da gehört habe?«
    Da sie ohnehin schon weinte und merkte, dass sie hier niemanden damit störte, konnte sie auch schluchzen . Das erleichterte sie nicht nur, sondern entband sie auch von der Verpflichtung, zu antworten.
    Â»Es ist also wahr. Och, du Ärmste … Der Schrecken will kein Ende nehmen.«
    Majas Mitleid war wie ein Kessel mit heißem Teewasser, das sie aus Liebe aufgesetzt hatte, aber nun statt in die Tasse mit den beruhigenden Kräutern über ihre Arme goss.
    Â»Simeon und ich, wir bleiben aber Freunde!«
    Â»Dummes Zeug, Dess! Er wird dich hassen, du ihn verachten, unser Theater können wir vergessen, und den Hamlet … begraben!«
18
    In demonstrativer Dreistigkeit parkte die Limousine genau unter dem Schild »Parken verboten«. Die Sonne ging hinter der Gebirgssilhouette unter und brachte vorher noch einmal die Schaufenster der Nobelgeschäfte auf dem Witoscha-Boulevard zum Gleißen. Sofia wurde gerade unter der Hand für lächerliche Pfennigbeträge an

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