Seelenasche
Kinoregisseur, der andere Dramaturg beim Fernsehen. Sie winkten ihr mit übertriebener Herzlichkeit zu. Pepa wusste nicht, dass sie, Dessislava, wusste, dass sie die Geliebte ihres Mannes war, und das konnte doch besser gar nicht sein.
»Gefällt dir Pepa?«, fragte sie, selbst überrascht von ihrer Frage.
Auf dem linken Fuà ertappt von ihrer überraschenden, direkten und zweideutigen Frage, war Simeon einen Moment lang verwirrt, aber als guter Schauspieler hatte er die Lage sofort wieder im Griff.
»Ich weià nicht ⦠mit diesen Eutern ⦠da möchte man doch gleich den Melkeimer drunterstellen.«
Sie war beinahe empört, wie er auch diesmal versuchte, seine Geliebte klein und unbedeutend zu machen, ja, sie primitiv zu beleidigen. Man brauchte den Spieà doch nur umzudrehen und sich zu fragen, was er Pepa über sie erzählte.
»Eine dumme Kuh, willst du sagen? Und das soll ich dir abnehmen? Sieh dir mal die beiden da neben ihr an, für die ist sie eher so was wie ein rassiges Raubtier, von dem sie sich mit Vergnügen zerreiÃen lassen würden.«
»Sollen sie doch ⦠Ich steh nicht so auf diese läufige Schönheit, die aus allen Poren kommt. Hast du schon gehört, sie soll jetzt was mit einem von diesen neureichen Ganoven haben.«
»Wirklich?«
»Soll sich regelrecht an ihn rangeschmissen haben und jetzt mit ihm und seiner Frau zusammen in Boyana leben.«
»Und dir? Was für ein Typ gefällt dir?«
Er schaute sie fast erschrocken an, weil er nicht wusste, worauf sie abzielte. Mit diesen sondierenden, nebulösen Fragen vermieste sie ihm seinen schönen Wodka.
»Ich liebe dich «, erwiderte er gereizt, fast schroff.
Das mochte sogar stimmen, aber er musste doch auch spüren, dass es zwischen ihnen aus war. Es mochte auch etwas Wahres dran sein, dass er Pepa verachtete, weil ihn ihr Selbstbewusstsein und ihr Sexappeal ärgerten, ihr geringes Talent ihn, wenn sie zusammen auftraten, einschränkte und daher wütend machte, aber: Er hatte sich durch sie gleichsam rückversichert. Indem er Pepa erobert hatte, hatte er sich bewiesen, dass er sie, Dessislava, verdiente! Plötzlich fühlte Dessislava sich verraten und verlassen, niederschmetternd einsam.
»Lüg nicht«, sagte sie grausam. »Du liebst doch nur dich selbst!«
»War das jetzt das Wichtige, das du mir unbedingt sagen wolltest?« Obwohl seine Betroffenheit falsch und nur gespielt wirkte, war sie niederschmetternd.
»Nein«, sagte sie, »ich hab mir die ganze Aufführung angeschaut, obwohl ich fast vor Kälte gestorben bin, dann hab ich zwei Anisschnäpse vertilgt, um Mut zu sammeln, dir zu sagen, dass ich heute die Scheidung eingereicht habe.«
»O Gott!« Er zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass sie die Wahrheit sagte. Seine gespielte Betroffenheit ging über in echte Panik. Er lachte auf, dröhnend und rücksichtslos. Untröstlich. Die Leute an den Nebentischen begannen, sich zu ihnen umzudrehen: Diese gute Laune war doch wohl deutlich übertrieben oder zumindest verdächtig. Simeon griff in einer spastischen Bewegung nach ihrer Hand, dann lieà er sie abrupt los und fragte leise:
»Du hast doch nicht etwa einen anderen?«
»Nein«, antwortete sie ebenso leise, und fügte dann, in ihrem Wunsch, absolut aufrichtig zu sein, hinzu: »Ich glaube, nicht!«
»Wozu soll das dann gut sein, Dess?«
»Wenn ich das selber wüsste. Die Sache ist die, dass es nicht zu erklären ist.«
Pepa Koitscheva lieà gerade ein kehliges Lachen hören. Sie hüllte sich in ihren Nappaledermantel und brach auf. Im Vorübergehen winkte sie Dessislava zu. Simeon schaute sie eindringlich, herrisch und tadelnd an, aber der bemerkte sie gar nicht. Die bulgarische »Pamela Monroe« lieà eine Moschuswolke und eine gewaltige Leere hinter sich zurück. Wie einfach, wie erleichternd wäre es doch, wenn der Grund für ihre Scheidung diese verführerische Frau sein könnte.
»So ist meine Mutter gegangen ⦠Eines Abends verlieà sie das Haus und â mich! Und jetzt willst du mich auch noch verlassen«, sagte er, verzweifelt vor sich hin starrend, als schaue er in einen Abgrund. »Was muss ich nur für ein schrecklicher Mensch sein?«
Nun war sie es, die nach seiner Hand griff und beschwichtigend sagte:
»Du bist ein wunderbarer Mensch und toller
Weitere Kostenlose Bücher