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Seelenasche

Titel: Seelenasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Zarev
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dir eigentlich klar, was du da von mir verlangst?«
    Â»Ja, aber … als Zeichen, dass wir Freunde bleiben …«
    Â»Freunde bleiben!« Sein Lachen war nun hämisch und noch kürzer, aber nicht mehr gekünstelt, sondern ein Aufschrei. »Und wo willst du das Geld hernehmen? Der Hamlet ist nicht gerade ein Ein-Personen-Stück.«
    Â»Da mach dir mal keine Sorgen.«
    Â»Oh, ich vergaß: dein Vetter Christo! Wo man auch geht und steht: dein verdammter Vetter.« Simeon leerte sein Glas, goss nach, ließ die Flasche aber nicht los. Er zitterte derart vor Angst, dass er sich daran festhielt wie an einer Haltestange im Bus. »Hab schon gehört: Er soll Millionär geworden sein, aus heiterem Himmel und über Nacht.« Er lächelte sauer. »Genau wie diese Banditen und Betrüger, die den Staat geplündert und die Leute beraubt und betrogen haben.«
    Â»Nun werd’ nicht bissig.«
    Â»Haha, der bissige Hund – dein bester Freund.«
    Jeder starrte schweigend in eine Ecke, wo Spinnen darauf lauerten, dass sich die Zeit brummend in ihren Netzen verfing. Dessislava erkannte nun die Musik, die unten lief: Es war das dritte Brandenburgische Konzert von Bach. Auf einmal sagte Simeon leise und beklommen:
    Â»Dess, ich … ich liebe dich!«
    Â»Ich liebe dich ja auch«, erwiderte Dessislava, erschrak über den Automatismus ihrer Worte und ergänzte rasch: »… auf meine Weise.«
    Â»Meinst du, ich bekomme nicht mit, wie du dich vergewaltigst, von Anfang an? Ich frage mich nur: Warum hast du mich dann geheiratet?«
    Â»Da gibt es zwei Haupt- und ein paar Nebengründe.«
    Â»Dann fang mal mit dem Haupt- an.«
    Â»Erstens, weil du es um jeden Preis wolltest, und zweitens, weil ich dachte, ich würde mich an dich gewöhnen und dich mit der Zeit auch zu lieben beginnen.« Dessislava hielt in ihrer Apologie kurz ein, weil sie merkte, dass sie am Rande des Abgrunds wandelte. Aber wann, wenn nicht jetzt, sollte sie aufrichtig sein? »Ich wollte mich mit aller Kraft in dich verlieben. Du hättest es verdient!«
    Â»Wieso?«
    Â»Du siehst gut aus, und du bist mitfühlend gegenüber der leidenden Kreatur, egal, ob Mensch oder Tier. Und du gehst lieb mit kleinen Kindern um.«
    Â»Und das ist alles?«
    Â»Du bist auch ein von Gott begnadeter Schauspieler. Mir läuft jedes Mal eine Gänsehaut den Rücken runter, wenn ich dich spielen sehe.«
    Â»Aber das alles genügt nicht, hm?«
    Â»Im Gegenteil, ich weiß ja, dass andere mit viel weniger zufrieden sind, und hab gekämpft mit mir, aber … du kannst die Liebe eben nicht zwingen! Trotzdem: Ich hatte eigentlich nicht die Absicht, an unsere Ehe zu tippen. Das hast du getan, indem du mich betrogen hast.«
    Â»Wovon redest du? Irgendwie schaffst du es immer, dich herauszuwinden.«
    Â»Ich habe dich, ohne es zu wollen, nach der Generalprobe zu Warten auf Godot mit Pepa Koitscheva erwischt, wie ihr in ihrer Garderobe tätig wart. Wollte euch einfach nur gratulieren, euch ein kleines Geschenkchen bringen. Und wie ich euch da so vor dem Spiegel in voller Aktion sah, dachte ich, ich bin in einen Pornofilm mit meinem eigenen Mann geraten!«
    Â»O Gott …«
    Â»Ich mach dir ja keinen Vorwurf«, beeilte sich Dessislava einzuwerfen, als sie sah, wie Simeon zusammensackte, »aber … ich kann eben einfach nicht länger mit dir zusammenleben.«
    Â»O Gott, Dess, warum bist du denn nicht reingekommen und hast ’nen Aufstand gemacht?«
    Â»Was hätte das für einen Sinn gehabt?«
    Â»Weißt du eigentlich, wie ich auf dich gewartet habe? Wie viele Jahre? Damals, als du mich am Patriarchen-Denkmal im Regen hast stehenlassen, erinnerst du dich? Da hab ich bis zum Morgen gestanden. Im Theater, als wir den Hamlet geprobt haben … später, als wir angeblich ein gemeinsames Zuhause hatten … nichts als Warten, Warten, Warten auf dich! Mein ganzes Leben – ein Wartesaal, ein Hoffen darauf, dass der Zug endlich kommt.«
    Â»Ich weiß.«
    Â»Aber du bist nie gekommen, wie Godot!«
    Â»Darum will ich mich ja auch scheiden lassen, Lieber, um dem ein Ende zu setzen. Deinetwegen!«
    Simeon durchlief ein Schauer, als er plötzlich gewahr wurde, dass sie ihn nicht mehr mit Vorwänden hinhielt, ihm nicht mehr nach dem Mund redete, um ihn zu beschwichtigen, sondern die Wahrheit sagte. Noch einen Wodka. Das Konzert

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