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Seelenasche

Titel: Seelenasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Zarev
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Schauspieler-Schönling Simeon durchlebte er jedoch als persönliche Niederlage, über die er nur dadurch hinwegkam, ohne eine große Dummheit zu begehen, indem er dem Werben Mariana Ilievas nachgab. Bedrückend war seine Entzweiung auch mit ihr, in jenem nach muffigen Laken und Chlorkalk, nach Unbeständigkeit und Laster riechenden Hotel, das er jedes Mal verließ mit dem Gefühl, er habe in diesem schummrigen, abgenutzten Zimmer 505 ein kompromittierendes Stück seines verborgensten Inneren zurückgelassen. Trotz Marianas ungewöhnlicher Schönheit, ihrer Leidenschaft, ihrer Weiblichkeit verging die Zeit, die er mit ihr zwischen den feuchten Laken verbrachte, langsam, quälend langsam, und wenn diese Qual ins Unerträgliche angewachsen war, verjagte er sie, scheuchte er sie fort von sich mit den Worten: »Bleib doch, bitte, bleib doch noch ein bisschen.«
    Zwar war er es, der die intime Beziehung zu Mariana zur Informationsgewinnung über den damaligen Justizminister und seinen Umkreis nutzte, aber ihm war, als habe jemand anderer dieses Verhältnis begonnen, und er sei lediglich einer, der das Geschehen heimlich durch den Türspalt beobachtete und dabei onanierte. Doch ausgerechnet vor Mariana, die ihm vollkommen gleichgültig war, spielte er den Verliebten, den die Macht seiner Gefühle sprachlos machte; vor Dessislava aber, die er wirklich bis zur Besinnungslosigkeit liebte, benahm er sich wie ein zur Zerstreutheit neigender, aber treuer Freund mit gutem Herzen und kühlem Verstand.
    Der Mensch gewöhnt sich an alles. Christo gewöhnte sich an seine innere Gespaltenheit, wie man sich an Möbel gewöhnt: Mit der Zeit fragt man sich nicht mehr, ob sie einem gefallen oder nicht, man benutzt sie einfach. Was aber dieser Abmilderung, dieser Verwischung der Gegensätze nicht unterlag, das war seine Denunziantentätigkeit für die bulgarische Staatssicherheit. Zwar stimmte es, dass er mit seinen Berichten versuchte, gemeine Typen ans Messer zu liefern, doch das konnte ihn nicht vergessen machen, dass er sich einer Institution unterworfen hatte, die ihr Netz im Zwielicht, über den ganzen Schmutz in den Ecken und Nischen des gesellschaftlichen Lebens gespannt hatte und das Licht darin einfing.
    Im dritten Studienjahr hatte Christo zufällig eine Karte für den Film Psycho von Alfred Hitchcock ergattert. Beim Anschauen erschrak er bis aufs Mark, denn es kam ihm so vor, als sei dieser albtraumhafte Thriller eigens für ihn, nein, über ihn gedreht worden.
7
    Inzwischen hatte seine innere Zerrissenheit solche Ausmaße erreicht, dass er sie als beständigen leisen Schmerz in sich wahrnahm. Er versuchte, sie mit zwölfstündigen Arbeitstagen zu betäuben, arbeitete sich in Rausch, war dabei aber ständig müde. Er ging regelmäßig schwimmen und ins Fitnessstudio, aber seine Muskeln waren oft verkatert und schlaff. Was sein neues Leben anbetraf, so entsprach es durchaus seinem Wunsch, reich und mächtig zu sein – einerseits; die andere Seele in seiner Brust hingegen wollte arm bleiben und ihre Ideale bewahren. Vor Dessislava hütete er sich, die reale Größenordnung seines Vermögens zu erwähnen, und spielte ihr den Pragmatiker vor, der eingesehen hatte, dass Geld nun einmal etwas war, ohne das es heutzutage nicht ging. Aber es ging auch nicht ohne Unterwäsche, und darüber schwieg man ja auch verschämt. Er achtete darauf, dass sie ihn nie in Begleitung seiner Leibwächter sah. Er chauffierte persönlich, wenn er sie von ihrem Theater, der Bonbonniere , abholte, und ließ die gemieteten Sicherheitskräfte nur dezent und ohne dass Dessislava es merkte mit ihren BMWs zu ihm aufschließen. Sie trafen sich entweder bei ihr zu Hause auf der Ljuben-Karawelov-Straße oder in der Wohnung seiner Familie hinter der Kirche Siebenheiligen. Seinen schmucken Palast in Bojana enthielt er ihr lieber vor. Den hatte er günstig von einem der pleitegegangenen Millionenbetrüger gekauft, der in Schwierigkeiten gekommen war, weil er dem Chef einer der größten organisierten Kriminellenvereinigungen eine erhebliche Summe schuldete. Das zugehörige Grundstück um die Villa war dreitausend Quadratmeter groß.
    Das Haus war im unbeschwert-eklektizistischen Zuckerbäckerstil gebaut und hatte zwei Türmchen, in dessen einem ein Teleskop mit über tausendfacher Vergrößerung stand. Es gab ein eigenes

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