Seelenasche
Fitnessstudio und ein Schwimmbad im Keller, vor allem aber Ãberwachungskameras an allen Ecken, deren Aufnahmen auf die Bildschirme übertragen wurden, die sich im Wächterhäuschen neben dem Eingangsportal zum Grundstück türmten. Zu der angekauften Konkursmasse gehörten auch: ein eigener Gärtner, zwei Putzfrauen, eine Köchin, eine üppige, schwarzhaarige Masseuse und ein verschlagener Schopenbauer, der ihm reine Schafsmilch, frische Eier von freilaufenden Hühnern und zarte Lämmer lieferte. AuÃerdem waren da noch die vier riesigen Hütehunde, die jeden Abend losgebunden wurden. Beim Anblick dieser Schlossburg würde Dessislava mit Sicherheit einen Heidenschreck bekommen. Christo befürchtete sogar, dass dieser ganze zur Schau gestellte Reichtum sie anwidern und abstoÃen könnte.
Nach einer Premiere im Satirischen Theater, als er sie ins Panorama-Restaurant des Kempinski-Hotels ausführte, konnte sie sich nicht zurückhalten zu fragen, während der Kellner auf einem Servierwagen einen Teller mit Meeresfrüchten, ihrer Lieblingsvorspeise, anrichtete:
»Du bist ganz schön reich, wie?«
»Ja.«
»Und hast richtig viel Geld?«
»Sieht ganz so aus.«
»HeiÃt das, dass du im Geld schwimmst?« Sie sah ihn erschrocken an, als erwarte sie, im nächsten Augenblick beleidigt zu werden. Christo versteckte sich hinter dem Rauch seiner Zigarre.
»Könnte man sagen.«
»Und wie bist du daran gekommen, woher hast du es?«
Ihr Gesicht verriet wachsenden Ekel. Christo verspürte einen Impuls, sie zur Sau zu machen, sie abzukanzeln und ein für alle Mal auf ihren Platz zu verweisen.
»Ich kann dir erzählen, wie es zu der ersten Million gekommen ist.«
»Hat der alte Henry Ford nicht gesagt: Fragt mich, was ihr wollt, nur nicht, wie ich an die erste Million gekommen bin?«
»Ich habe einen GroÃkredit aufgenommen. Damit habe ich fünfzig Appartements in den neueren Plattenbauvierteln, ein paar auch im Zentrum von Sofia gekauft. Sechs Monate später konnte ich die zum doppelten Preis verkaufen. So hat es angefangen.
»Dann bist du also einer dieser Kreditmillionäre?«
»Nein. Durch den Verkaufsgewinn habe ich ja meinen Kredit sofort zurückzahlen können.«
Dessislava lachte auf diese seltsame Art, mit der man über verrückte, aber eigentlich banale Sachen lacht, und blies sich melancholisch ins Haar. Sie sah so wundervoll aus, war so berückend unerreichbar, dass ihm flau im Magen wurde. Er blies den Zigarrenrauch gegen sein Spiegelbild im Fenster und fuhr fort:
»Ich hatte auch ein bisschen Glück. Gekauft habe ich die Wohnungen in bulgarischer Währung, verkauft habe ich sie aber gegen US-Dollars. Und genau zum Zeitpunkt des Verkaufs verdoppelte sich der Wechselkurs des Dollars, und meine Verbindlichkeiten der Bank gegenüber halbierten sich dementsprechend. Verstehst du?«
»Nein, mein Lieber.«
»Das war sozusagen ein Geschenk aus heiterem Himmel, durch das ich an ein wirklich solides Startkapital kam.«
»Irgendwie dubios, so aus heiterem Himmel â¦Â«
»Ãberhaupt nicht dubios! In der Wirtschaft musst du Trends und Tendenzen erkennen und finanzielle Weitsicht mit Intuition verbinden, um weiterzukommen.«
»Und diese Geschäftemacherei, das ist alles ganz legal?«
Wie sie so nachdenklich und versonnen bis zur Melancholie dasaÃ, kam sie ihm noch schöner vor. In diesem Moment ging Christo auf, dass es wirklich undenkbar war, dass sie zu ihm hinaus nach Bojana kam. Sie war zu anders, unvereinbar mit dieser protzigen Mischung aus kitschigem Märchenschloss und überladenem Ganovenbarock. Er konnte nicht leben ohne Dessislava; aber er hatte inzwischen auch die angenehmen Seiten eines weitläufigen eigenen Zuhauses kennengelernt, in dem er seine Batterien wieder aufladen konnte und â sein Selbstbewusstsein als Mann von Macht und Einfluss. Dieser innere Widerspruch, dieses Hin-und-hergerissen-Sein gab ihm keine Ruhe, sondern setzte ihn so unter Spannung, dass er fast ständig Kopfschmerzen hatte. Er spürte, dass es unmöglich war, zugleich Liebe und Reichtum zu besitzen, weil sowohl die eine wie auch der andere in ihrem maÃlosen Egoismus bestrebt waren, ihn sich ganz zu unterwerfen. Die Macht, die Dessislava über ihn hatte, war also unvereinbar mit der Macht des Geldes: Dessislava wäre unfähig, ihn mit dem Geld zu
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