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Seelenasche

Titel: Seelenasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Zarev
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Bewunderung, unseren Respekt verdienen, wenn einer seinen Idealen lebt; aber die meisten wollen es doch wohl einfach nur ein bisschen bequem haben und Dinge besitzen, mit denen sie sich die Langeweile vertreiben können, meinen Sie nicht?«
    Â»Wenn Sie mir die Zeitschrift nennen, lese ich mir den Essay gern einmal durch.«
    Â»Ich weiß, meine Worte sind nicht sehr tröstlich, aber leider wahr. Schauen Sie sich doch die Gleichheit mal an, die wir im Sozialismus hatten: Alle durften gleich wenig Persönlichkeit und Individualität haben, gleich durchschnittlich und speichelleckerisch sein, um irgendjemanden geneigt zu machen, ihnen einfachste Gebrauchsgüter zu besorgen. Die heutige Zeit hingegen gehört Menschen, deren Phantasie vor nichts zurückschreckt, kurz, freien Menschen, die etwas riskieren und auf die eigene Kappe nehmen. Sicher, im freien Wettbewerb bleibt die Moral auf der Strecke, aber sagen Sie mir, Herr Weltschev, war die gewaltsame Unterdrückung zuvor denn sonderlich moralisch?«
    Die Ruhe, die Toschev bei diesen Worten ausstrahlte, ließ keinen Zweifel daran, wie sicher er sich seiner selbst und seiner Worte war. Beim Reden schwang eine kontrollierte Arroganz in seiner Stimme mit, die an Verachtung für diese unvollkommene, seiner unwürdige Welt grenzte. Da klingelte das Mobiltelefon des Magnaten. Toschev holte es aus der Sakkotasche, schaute prüfend auf das Display, schien zu zögern, ob er abheben sollte, dann drückte er den grünen Knopf und hielt sich das Gerät ans Ohr.
    Â»Ja, ich freue mich auch«, erwiderte er dem Anrufer, »ja, ist mir ebenfalls eine Ehre. Nein, Sie stören nicht. Selbstverständlich schicke ich das Geld. Ja, seien Sie ganz beruhigt, so wie immer … und alles bleibt unter uns, ja. Und grüßen Sie unsere gemeinsamen Freunde.«
    Er seufzte, drückte auf den roten Knopf und steckte das Gerätchen wieder in seine Jackentasche. Sein Blick kehrte zu Christo zurück, nun aber mit dem Ausdruck einer seltsamen, pervertierten Verträumtheit.
    Â»Das war der stellvertretende Vorsitzende einer unserer breitärschigen Parteien«, raunte er Christo zu. »Sind mal wieder knapp bei Kasse … Ach, übrigens, ich finanziere alle Parteien, die rote, die blaue und die gelbe, also immer Regierung und Opposition. Auf diese einfache Weise sind mir die, die ans Ruder kommen, immer verpflichtet.«
    Â»Ist das nicht ein bisschen …«
    Â»â€¦ verwerflich, meinen Sie?«, ergänzte Toschev mit scharfem Ton.
    Â»Ich wollte eigentlich sagen: unangenehm«, korrigierte Christo zum unverbindlicheren Wort hin.
    Â»Nein, die wissen das ja, und haben auch nichts dagegen, Hauptsache, sie bekommen ihren Anteil. Gott sei Dank sind unsere Politiker das Letzte. Willenlos, käuflich, gierig. Für die ist die Macht nichts anderes als eine fette Milchkuh, die sie melken, was das Euter hergibt. Sie wissen ja, dass sie nur vorübergehend an der Macht sind und raffen müssen, so viel sie können, weil bald schon der Nächste auf dem Melkschemel Platz nimmt. Dieses ganze Gerede von hoher Moral und nationalen Idealen, das sondern sie immer nur vorher und nachher ab. Was sie den anderen vorwerfen, ist das, was sie selbst tun wollen oder getan haben. Da hab ich heute einen neuen Witz zum Thema gehört. Wissen Sie, was Korruption ist?«
    Â»â€¦Â«
    Â»Korruption ist alles, woran man mich nicht beteiligt!«
    Er stocherte mit der Gabel in seinem Teller, stach ins Rehfleisch, schnitt sich ein Eckchen ab, schob mit dem Messer etwas von den gedünsteten Steinpilzen auf den Bissen, kostete. Seinem Gesicht nach zu urteilen, schmeckte es nach nichts, und der Geschäftsmann gab sich erst gar nicht die Mühe, sein Missfallen und seine Unzufriedenheit zu verbergen.
    Â»Ich übertreibe es aber auch nicht mit den Politikern«, fuhr er fort, »um sie nicht zu verwöhnen. Sie müssen nur klipp und klar wissen, dass sie mir etwas schuldig sind … Ach ja, und sie dürfen dabei nie vergessen, dass ich es bin, der sie gekauft hat, gekauft wie jeden anderen Artikel des täglichen Bedarfs auch. Denn gerade die Erniedrigung, dass sie sich haben kaufen lassen, macht sie gefügig und zugänglicher für meine kleinen Bittgesuche bis hin zu eventuell nötigen Gefälligkeiten der schmutzigeren Art. Der bestechliche Politiker liebt zwei Dinge: Geld und große Diskussionen über

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