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Seelenasche

Titel: Seelenasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Zarev
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Anwalt und verdiene den ein oder anderen Lev mit den Sorgen und Problemen anderer Leute.« Erst jetzt gab er sich Feuer und sog gierig an seiner Knitterzigarette. »Versuche, anständig zu sein, knöpfe den Leuten nicht viel ab, nur so viel, dass ich meine Miete zahlen, mir eine Zeitung und gelegentlich ein Fläschchen Wein kaufen kann.«
    Â»Wenn du willst, kehr doch in die alte Wohnung auf der Iwan-Schischman-Straße zurück; ich wohne nicht mehr dort.«
    Â»Nein, nein, die Wohnung gehörte ja deiner Mutter!«
    Â»Und Mutter hat mich, wie ich bereits sagte, gebeten, mich um dich zu kümmern.«
    Â»Ich lebe aber mit einer anderen … Frau.«
    Â»Weiß ich.«
    Â»Einer alten, schwer geprüften Frau. Der Mensch kann ja nicht allein bleiben …«
    Â»Ich vermute«, erwiderte Christo murmelnd.
    Â»Wenn ich ganz klapprig werde, kehren wir, sie und ich, nach Widin zurück. Kannst du dich an unser Häuschen dort erinnern?«
    Â»Das Häuschen, ja, sicher.«
    Â»Und die Donau. Gott, wie dies Leben vorüberrauscht! Und du … warum bist du denn noch allein?«
    Â»Ich habe eine Freundin, werde bald mit ihr zusammenziehen«, log Christo.
    Â»Da wird deine Mutter aber sehr glücklich sein.«
    Â»Ja, wird sie wohl.«
    Mit einem flüchtigen Blick sah Christo, dass die Zigeunerin langsam hinter ihrem Weidenstamm festfror; es wurde Zeit, dass er ein Einsehen hatte und ging. Er warf seine Zigarre in den Schnee. Es zischte.
    Â»Ich weiß ja nicht, woher du auf einmal so viel Geld hast, und es interessiert mich auch nicht«, sagte sein Vater und nickte in Richtung der drei Luxuslimousinen, die schwarz wie Leichenwagen auf dem Friedhofsweg standen, »aber pass auf dich auf!«
    Â»Versprochen.«
    Â»Weil … ich hab ja nur noch dich und … liebe dich sehr, mein …« Er schaute sich schamerfüllt um, ob auch keiner mithörte, dann sagte er seinen Satz zu Ende: »… mein Sohn.«
    Â»Weiß ich doch«, erwiderte Christo, wandte sich ab und machte ein paar entschlossene Bewegungen, das Zeichen für die Fahrer der drei Limousinen, sich lautlos zu nähern und ihn aufzugabeln.
12
    Die Sekretärin Eduard Toschevs hatte direkt im Studio angerufen und Jordan im Namen ihres Chefs um ein Treffen gebeten. Sima war an den Apparat gegangen. »Und bitte richten Sie Herrn Weltschev aus, er möge sich bitte auf keinen Fall verspäten.«
    Die neuen Geschäftsräume Toschevs befanden sich stadtauswärts auf dem Boulevard Bulgaria in einem neuen, aufstrebenden Geschäftsviertel Sofias, Malinowa Dolina, in der Nähe von Bojana. Das extravagante Gebäude hatte die Form eines geneigten Kegels. Hinter der Glas-Aluminium-Fassade hatte Toschev all seine Firmen unter einem Dach versammelt, inklusive der Tageszeitung, die er finanzierte. Im Parterre gab es außerdem einen prächtigen Ausstellungssaal, in dem er Gemälde junger bulgarischer Avantgarde-Künstler zeigte. Toschev war ihr großer Mäzen, obwohl seine Privatsammlung, die inzwischen sicher eintausend Gemälde umfasste, hauptsächlich aus Meisterwerken anerkannter bulgarischer Klassiker bestand, deren Wert unaufhörlich stieg. Um diese Sammlung, die qualitativ zweifellos mit den Beständen der Nationalgalerie konkurrieren konnte, kümmerten sich einige der erfolgreichsten zeitgenössischen Künstler und besten Kunsthistoriker. Inzwischen war es so, dass jedes Gemälde von Wert, das irgendwo privat oder in einem Antiquitätengeschäft auftauchte, zuerst ihm zum Kauf angeboten wurde.
    An der Pforte des Südflügels, in dem sich das Allerheiligste befand, also Toschevs eigenes Büro und das der Führungsriege seiner Holding, wurden sie auf Waffen untersucht und gebeten, ihre Mäntel an der Garderobe zu lassen; außerdem mussten sie ihre Personalausweise und Mobiltelefone abgeben. »Ein Wunder, dass sie nicht auch noch unsere Fingerabdrücke genommen haben«, flüsterte Dida ihm bissig zu. Nach Abschluss der Sicherheitsvorkehrungen wurden sie einem breitschultrigen jungen Mann mit Leberfleck am Hals übergeben, der sie in den gläsernen Außenaufzug bat und mit ihnen in die fünfte Etage hinauffuhr. Oben hatte man einen herrlichen Blick auf den verschneiten Witoscha-Kamm. Das Gebirge wirkte im Licht so rein und unberührt wie ein polierter Kristall. Sie durchquerten eine Reihe von Büros, bis der

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