Seelenasche
geschmolzenen Schnees und die Frische kommender Frühjahrsregen. Drinnen, in der Jagdhütte, duftete es nach dem Rauch trockener Scheite aus Zerreiche. Mit jedem Knacken warfen die auflodernden Flammen neue bizarre Abbilder an die Decke. Wirklich wärmen tat dieses Feuer nicht, aber es belebte die Nacht. Das Kaminzimmer war gespickt mit Jagdtrophäen. An den Wänden hingen riesige Geweihe von Rotwild, ausgestopfte Köpfe von Rehen und Rehböcken. Im Esszimmer war ein Bärenfell aufgespannt. Der Rahmen des Bauernschranks, in dem Eduard Toschev seine Jagdgewehre stilgerecht aufbewahrte, war mit geschnitztem Eichenlaub verziert; sogar die Eicheln hatte der Holzschnitzer nicht vergessen. Darinnen standen Markenkarabiner mit Zielfernrohr und eingebauten Nachtsichtgeräten, Doppelflinten und Repetiergewehre, die auf Toschevs Bestellung in den besten Meisterwerkstätten Europas angefertigt worden waren. Der Boden der Hütte war mit ungeschliffenem Naturstein gepflastert, die Sitzmöbel scheinbar rustikal, aber höchst komfortabel und aus bestem Eichenholz gefertigt. In der Hütte war es also gemütlich, und es war ruhig.
Christo fühlte sich angenehm müde. Er war es gewesen, der Toschev beim Forum des Klubs der 24 im Sheraton-Hotel um ein möglichst baldiges Treffen gebeten hatte; der hatte ihm diesen Jagdausflug ein Wochenende später vorgeschlagen, an dem sie ungestört sein würden. »Aber ich habe weder Gewehr noch einen Jagdschein«, hatte Christo eingewandt. Toschev aber hatte ihn beschwichtigt: »Zerbrechen Sie sich mal darüber nicht den Kopf. Bei meiner Einladung sind Gewehr und Jagdschein inklusive, und wir werden auch ganz ungestört und unter uns sein.«
Nun saÃen sie beim Essen. Es gab ⦠Reh.
»Sie greifen ja gar nicht zu. Dabei ist der Rehrücken vorzüglich.«
»Ich kann nicht. Ich hab das arme Tier getötet, und dann auch noch mit Hasenschrot.«
Eduard Toschev verstummte, besah ihn sich langsam und mit schwerem Blick. Blass geworden, sah sein Gesicht noch verschlossener aus, noch kälter und abweisend bis zur Undurchdringlichkeit. Er hatte den ganzen Tag nichts gegessen und war ausgehungert; auÃerdem hatte er für Sentimentalitäten nichts übrig. Das Reh lag in einem duftenden Sud mit Knoblauch, Möhre und Speck. Es duftete verführerisch. Er schnitt sich noch ein Stück von der Keule ab.
»Sie wollten mit mir reden. Ich höre â¦Â«
Christo nahm einen hastigen Schluck von seinem rauchigen, erlesenen Single-Malt-Whisky.
»Ich wollte Ihnen ein aussichtsreiches Geschäft vorschlagen.«
»Und â worum geht es?«
Seine Stimme blieb unverändert kühl; aber in seinem Blick blitzte eine Ironie auf, die schon an Spott grenzte.
»Ich dachte an unsere alten, berühmten Kurorte am Schwarzen Meer, die neuerdings so heruntergekommen sind. Es gibt dort nur noch Massenabsteigen für deutsche Rentner, englische Saufköppe und ausgeflippte Teenager, die ihr Zelt direkt neben der Stranddisco aufschlagen. Ich würde gern mit Ihnen das Niveau dort etwas heben und einige Feriendörfer mit viel Grün bauen, in denen es ein Wellenbad gibt, Reitmöglichkeiten, einen Yachthafen und ⦠einen angeschlossenen Golfplatz.«
»Ihr Vorschlag ist höchst inspirierend, Herr Weltschev, nur leider, leider sind wir unwiderruflich zu spät.« Jetzt machte Toschev noch nicht einmal mehr den Versuch, seine Ironie zu verbergen. »Für ein Projekt von solchen AusmaÃen bräuchten wir sicher geschätzte einhundert Hektar Land, und Sie wissen sicher: Die Bodenpreise am Meer sind in die Höhe geschossen, als wollten sie den Möwen den Bauch kitzeln. Und dann erreichen Sie im Tourismus den Break-even-Point frühestens nach zehn Jahren. Das ist ein Kapitalbegräbnis erster Klasse. Vergessen Sieâs!«
»Im Prinzip haben Sie recht ⦠Es gibt aber eine Möglichkeit, Land am Meer â und das gleich an der Strandlinie â gegen einen fast symbolischen Betrag zu bekommen.«
Nun strich sich Eduard Toschev wieder mit dieser besitzergreifenden Bewegung über den geschorenen Schädel, vertiefte sich in das Kaminfeuer, als wäre er allein mit sich, seinen Gedanken und seinem Glas Wein.
»Billiges Land am Meer? Da müssten Sie schon ein groÃer Zauberer sein, oder groÃen Einfluss im Parlament haben, oder auf den Verteidigungsminister! Forget
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