Seelenasche
Pissoirs standen, schauten ihn so gespannt an, als ob er der Schäfer wäre und sie die Herde.
»Hallo«, meldete sich Christo fragend.
»Ah, Herr Weltschev, wie gehtâs, wie stehtâs?« Es war Grigorov. »Ich höre, Sie sind unzufrieden mit mir?«
»Bitte, Herr ⦠Es passt mir jetzt gerade überhaupt nicht.«
»Das ist aber nicht schön!«
»Im Moment bin ich â¦Â«
»Sie verstecken sich doch nicht etwa vor mir? Lassen Sie sich sagen, Herr Weltschev, dass das noch niemandem gelungen ist.«
Christo wollte nicht unhöflich sein, ja, sogar guten Willen zeigen, aber wie sollte das gehen hier? Die beiden Männer links und rechts von ihm schauten ihn schon ganz missbilligend an. Da überwand er sich und antwortete:
»Quatsch! Sie erwischen mich im Moment ganz einfach auf der Toilette.«
»Wollen Sie mich etwa verschaukeln?« Die Stimme des Generals war gefährlich nach oben gegangen. Das Gekränktsein war ihm anzuhören. Da wagte es doch einer, nicht gleich strammzustehen, wenn er etwas sagte!
Eine fette, noch winterfaule Fliege schwirrte herbei und kreiste brummend um seinen Versuch, in Ruhe Wasser zu lassen. Das brachte ihn vollends aus der Fassung. Wütend sagte er:
»Hören Sie, ich möchte Sie ganz einfach bitten â¦Â«
»Sie treiben also Ihren Spott mit einem Mann, der Ihr Vater sein könnte?«
»Entschuldigen Sie, aber ich befinde mich wirklich auf einer öffentlichen Toilette.«
»Darf ich das so deuten, dass Sie auf unsere Freundschaft sch� Unsere geheime, aber über so viele Jahre bewährte Freundschaft? Lassen Sie sich daran erinnern, Herr Weltschev: Es ist eine unverbrüchliche Freundschaft!«
»Kann ich Sie später anrufen, Ihnen erklären â¦Â«
Doch diese Frage sprach Christo schon in die tote Leitung. General Grigorov hatte bereits aufgelegt.
Christo lächelte betreten nach links und rechts. Der eine Mann schaute ihn wütend an. Der Toilettentelefonierer da hatte ihn wohl so aus dem Konzept gebracht, dass er es nicht geschafft hatte, sein kleines Geschäft zu verrichten.
5
Ausgerechnet jetzt am Sonntag, wo sie so gern mit sich allein war, musste das Telefon klingeln. Die Nachbarn hängten gerade die Wäsche auf, die Turteltauben gurrten und das Licht gleiÃte dem Sommer zu, in der Zeitung warteten die üblichen Verdächtigen auf ihre nie erfolgende Aburteilung und Dessislava versuchte, sich von der Anstrengung des puren Existierens mit all den kleinen Verrichtungen zu erholen, die einen auffraÃen oder zermürbten, da, ausgerechnet da klingelte das Telefon. Träge reckte sie den Arm zum Hörer. War sich sicher, dass es nur Christo, der vielbeschäftigte Christo war, der auch in seiner Abwesenheit versuchte, sich um sie zu kümmern. Doch sie wurde überrascht: In der Lautsprechermuschel war die Stimme Didas zu hören.
»Grüà dich«, sagte die Stimme, »ich kann einfach nicht mehr, ich haltâs nicht aus!«
»Grüà dich, meine Liebe«, antwortete Dessislava verblüfft, »ich dachte mir schon, dass du es bist.«
»Wie bitte? Ich hab doch einfach â¦Â«
»Was weià ich? Ich hab einfach durchs Fenster auf die Wäsche geschaut, und als das Telefon klingelte, dachte ich: Ach, das wird wohl Dida sein â¦Â«
»Du nimmst mich doch nur auf den Arm, oder?«
»⦠denn Dida muss mal Dampf ablassen und dich unbedingt sprechen.«
»Mach keine Witze! Ich wollte dich in die neue Pizzeria einladen. Die haben bunte Glasfenster gemacht, das gibt so eine schöne Atmosphäre drinnen.«
»Prima«, sagte Dessislava, wurde aber das Gefühl nicht los, dass sie etwas zu hören bekommen würde, was schwer zu ertragen war. »Aber warum sollen wir extra rausgehen zum Reden, wo du doch drei Etagen über mir sitzt? Und meine Wäsche ist auch noch nicht trocken.«
»Ich kann einfach nicht mehr, ich haltâs nicht mehr aus!«
»Ist irgendwas mit Jordan?«
»Nein, der schläft.«
»Und wofür brauchst du meine Unterstützung dann?«
Dida entfuhr ein Klagelaut, als habe sie gerade ihre Mutter verloren oder als sei die Tür zur Zukunft vor ihrer Nase zugesperrt worden.
»Ich bin schwanger!«
»Was heulst du denn da«, seufzte Dessislava erleichtert, »das ist doch groÃartig!«
»Na, weil ich schwanger bin«, wiederholte Daniela
Weitere Kostenlose Bücher