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Seelenasche

Titel: Seelenasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Zarev
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wunderbar aus, fand Jordan.
    Auf einmal drehte sich Jana zu Dida um und sagte nach einem tiefen Schluchzer:
    Â»Tschuldige, du!«
    Â»Ach Quatsch, wofür denn?«, beruhigte sie Dida.
    Â»Weißt du, wenn du so eine fette Loserin gewesen wärst, so superhässlich und so, die nix rafft, dann hätte ich null Problem mit dir gehabt, aber so …«
    Â»Aber was … ›so‹?«
    Â»Aber du warst einfach supergenial, ich fand dich vom ersten Moment an absolut oberscharf, schon als du reinkamst, du weißt doch, dieses eine beknackte Weihnachten da …«
    Â»Und da?«
    Â»Und da kriegte ich sofort ’n Hassanfall, weil ich doch Mama so geliebt hab, und wenn ich dich jetzt auch … o fuck …« Sie wischte sich die Tränen mit dem Ärmel ab, hielt sich die Hände klauenartig vor die Augen, als hätte sie Äpfel darin, und sagte: »Ich hab jetzt bestimmt sooo Klüsen!«
    Â»Was wäre gewesen, wenn du mich auch …?«
    Â»Na, ich dachte, dann verrate ich Mama. Aber jetzt weiß ich, das eine hat mit dem andern nix zu tun.«
    Sie schwiegen lange. Wenn er sich die beiden Frauen so anschaute, hatte er das Gefühl, er wäre derjenige, der abreiste, und sie wären bloß gekommen, um ihm zu winken.
    Â»Ich glaub, ich komm nie mehr zurück.«
    Â»Bitte, Jana, sag doch nicht so was«, sagte Jordan gequält und sah, wie seine große Tochter Dida in den Arm nahm, sich an sie kuschelte und sagte:
    Â»Weißt du, pass einfach gut auf meinen Papa auf, hörst du?«
    Dann nahm sie ihr Handgepäck, eine abgewetzte Reisetasche, und lief auf eine schwarzgekleidete Gestalt zu, die Jordan noch gar nicht aufgefallen war, weil sie ganz hinten in der Ecke stand, lang aufgeschossen und mit asketischen, aber schönen Gesichtszügen. Vermutlich war das Teddy, Janas »totaler Freak, unheimlich lustig, aber ’n Idealist und so, der glaubt echt an Gott … und an mich auch«.
13
    Die neuen Geschäftsräume Pawel Tscholevs befanden sich an der Uferpromenade in einem Gründerzeithaus mit vielen Stilzitaten von Pilastern bis zu Vignetten, von Stuckverzierungen bis zu Ziertürmchen an den Ecken. Im Erdgeschoss befanden sich ein paar Geschäfte für zahlungskräftige Kundschaft und das wohl teuerste Restaurant von ganz Widin. Die Etage darüber war Tscholevs Reich. Die französischen Fenster hatte er mit stark getönten Scheiben neu verglasen lassen, die neugierige Blicke von außen abhielten, von innen aber eine prächtige Aussicht auf den ewig dahinfließenden Strom gestatteten, dessen rumänisches Ufer im Herbst einen bunten Blätterkranz bekam. Auf dem schimmernden Wasserspiegel schoben sich weiße, von Wien kommende Passagierschiffe und Schleppkähne voran, deren Schiffssirenen in empfindsameren Gemütern die Wehmut weckten, dass nichts in diesem Leben blieb.
    Als Krum Krumov die riesige Büroetage betrat, die aussah wie die Ausstellungshalle eines gehobenen Büromöbelgeschäfts, entfuhr ihm ein Seufzer. In ausladenden Sesseln, die mit Brokat bezogen waren, saßen Pawel Tscholev, seine Sekretärin Zezi, die auch heute wieder Fetzen trug, die ihre Üppigkeiten nur mit Mühe bändigten, sowie ein Recke mit Kürzesthaarschnitt und Narbe auf der Stirn, der einen teuren Tweed-Anzug trug, die Krawatte aber abgelegt hatte, um sein Hemd bis unter die Brustbehaarung aufknöpfen zu können. Und dann war da noch eine künstliche Blondine mit Stupsnase und derart kurzem Minirock, dass es eine wahre Freude für das männliche Auge war. Sie hatte zweimal am Wettbewerb »Miss Bulgarien« teilgenommen, doch die Natur hatte es so gut mit ihr gemeint, dass sie beide Male schon in der ersten Runde wegen zu unseriöser Formen ausgeschieden war. Der Tisch, um den diese erlauchte Runde saß, war aus Teakholz. Darauf standen zur Begleitung für die harten Getränke zwei Platten mit edlen Wurstsorten, die wohl unten im Restaurant angerichtet worden waren. Außerdem standen zwei muschelförmige Schälchen mit Nusskernen aller Art bereit und eine halbleere Flasche Markenwhisky. Auf dem Boden daneben prangte eine große Korbflasche mit hausgemachtem Wein. Wie zur Dekoration der Kulinaria lagen auf dem Tisch auch einige Bündel Hundert-Leva-Scheine, die soeben von der Nationalbank in Umlauf gebracht worden waren.
    Â»Da kommt er ja, unser Krumtscho«, klatschte Pawel

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