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Seelenasche

Titel: Seelenasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Zarev
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Pärchen sich und der Umgebung vorspielen, gar nicht mehr so weit her. Ach, übrigens, haben Sie einen Kaffee bekommen?«
11
    Die Schwangerschaft Danielas verlief unruhig und schwer. Sie verließ kaum das Haus und saß endlos in Hauspantoffeln vor dem Fernseher. Jordan aber kam es so vor, als sei sie gar nicht da. Ihr Bauch war nur leicht gerundet, ihr Gesicht bekam eine ungesunde Blässe, ihre Augen begannen seltsam zu flackern. Was ihn am meisten verblüffte, war, dass Dida gar nicht zu spüren schien, dass sie nicht mehr allein war. Sie verhielt sich, als sei sie einer ständigen Bedrohung ausgesetzt, war schreckhaft, hatte Angst vor Dunkelheit, aber auch vor zu hellem Tageslicht, Angst vor Menschenansammlungen, aber auch vor dem Alleinsein. Sie weinte häufig ohne erkennbaren Grund, und immer heimlich, im Bad oder auf der Toilette, und ohne das Licht einzuschalten. »Weiß auch nicht, was mit mir los ist«, hatte sie Jordan einmal gesagt, »aber ich habe das Gefühl, jemand lauert mir auf, um mir das Baby zu rauben oder mich zu vergewaltigen.«
    Wohl aus dieser Verunsicherung heraus gestand ihm Dida erst, dass sie schwanger sei, als sie schon weit im vierten Monat war und an eine Abtreibung nicht mehr zu denken war. »Du hast ja schon ein Kind. Und bist ein totaler Egoist. Ich hatte Angst, Weltschev, dass entweder du oder irgendwelche verfluchten Umstände mich zwingen würden, das Baby wegzumachen, wenn ich was sage«, hatte sie ihm einmal im Bett gesagt, als sie seinen Liebesdrang abwehrte, als sei er eine heftige Windbö, die sie umstoßen und zerbrechen könne wie Glas.
    Sie hörte selbst da nicht auf, sich wie eine Verfolgte zu benehmen, als alle Familienmitglieder die Nachricht freudig und wohlwollend aufgenommen hatten, der alte Assen Weltschev sogar mit Tränen in den Augen. Eines taubengurrenden Junimorgens, zu dem die Nachbarin mit dem Teppichklopfer den Takt schlug, fand sie vor der Wohnungstür ihrer Mansarde einen hingeworfenen Babyschuh, an dem eine Feder und ein rotes Perlchen angenäht waren. Sofort kam ihr in den Sinn, dass die Feder von einer Eule stammte und das Rot des Perlchens Blut symbolisierte, und sie folgerte, dass jemand ihr einen bösen Zauber geschickt hatte. Da brach sie regelrecht zusammen, und Jordan sah sich gezwungen, aus einem der umliegenden Dörfer eine bekannte Wahrsagerin und Hexe ins Haus zu bestellen. Sie kam mit dem Geruch nach Holzfeuer, Zwiebeln und feuchter Wolle, leckte sich unablässig den Oberlippenbart und rückte die Hornbrille mit den dicken Brillengläsern auf ihrer Nase zurecht. Dann schritt sie zur Tat, um die böse Magie zu brechen. Sie schmolz Blei, goss es in ein Gefäß, und als sie sah, dass es die Form einer Missgeburt annahm, durchstach sie es mit einer Sicherheitsnadel. Für diese Auflösung des bösen Zaubers berechnete sie der Unglücklichen fünfzig Leva, verkaufte ihr zur Sicherheit für weitere zwanzig Leva aber auch noch eine Papierikone der heiligen Muttergottes, damit der Teufel es ganz sicher nicht mehr wagte, ihr zu nahe zu treten.
    Â»Dein Kind wird ein Junge, und den taufst du auf den Namen seines Großvaters, Assen«, sagte sie beim Abschied.
    Â»Aber … ich war gestern noch beim Ultraschall«, druckste Dida, »und die Ärztin meinte, man könne schon sehen, dass es ein Mädchen würde.«
    Â»Phh, Ärzte, was verstehen die schon, wollen andere heilen, aber kriegen selber die Grippe!«
    Einen Monat später, in einer drückenden Julinacht, wurde Jordan von einem komischen Geräusch geweckt. Als Erstes sah er durch das Fenster den Himmel über der Stadt mit seinen trüben Sternen, dann wandte er den Kopf zur anderen Betthälfte und sah Didas Silhouette, die vorgebeugt im Bett saß. »Fruchtwasser …«, sagte sie voller Entsetzen, »o Gott, die Fruchtblase ist geplatzt, und ich bin doch erst im siebten Monat.« Auf dem Laken zwischen ihren Beinen sah er inmitten eines größeren feuchten Kreises einen dunklen Fleck. Er berührte ihn und erschauerte. Die Wehen hatten eingesetzt. Hastig zogen sie sich an. Dida hatte schon ein Bündel mit allem Notwendigen fürs Krankenhaus vorbereitet und im Bad aufgehängt – ganz so, wie vor vielen Jahren Neda nach dem großen Erdbeben ihren »Katastrophensack« dort aufgehängt hatte.
    In der nächtlichen Stille, brütend im Sud des Sommers, hatte

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