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Seelenasche

Titel: Seelenasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Zarev
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Tscholev zur Begrüßung in die Hände und gab seinem Leibwächter mit einem leichten Kopfnicken das Zeichen, den Raum zu verlassen. »Der Sohn des legendären Genossen Marijkin.«
    Â»Grüß dich, Pavka«, erwiderte Krum blöde, »wie geht’s so?«
    Â»Gar nicht gut, lieber Freund, gar nicht gut.« Die Ironie war unüberhörbar. »Da eröffnet mir die gute Zezi doch heute tatsächlich, sie sei schwanger, stimmt’s, mein Goldstück? Doktor Kotev wird sich freuen und … die Hand aufhalten.«
    Mit Ausnahme des unbekannten Mannes in Tweed sahen alle aus, als hätten sie die Nacht durchgefeiert – mit allem, was bei so reizenden Damen dazugehört. Der Unbekannte hatte einen akkurat gepflegten Dreitagebart, eine Stirnglatze, durch die seine längliche Narbe noch markanter hervortrat, einen muskulösen Hals, der seinen Kopf aussehen ließ wie eine Zinne auf der Burgmauer von Baba Wida, und die unförmigen Ohren des ehemaligen Ringers. Seine Körpersprache war die einer großen Raubkatze, scheinbar träge, aber von einer Kraft, die es ihm erlaubte, blitzschnell zuzuschlagen. Sein Blick zeigte einen Überdruss, der an Verachtung grenzte. Dieser Mann schien durch nichts zu beeindrucken zu sein, und das gab ihm die Ausstrahlung unerschütterlicher Macht. Nicht nur über die anwesenden Dämchen, sondern auch über Pawel Tscholev, die ganze Situation und den ganzen Morgen.
    Â»Trinkst du einen Whisky?«, fragte Tscholev hicksend.
    Â»Nein danke, ist mir noch ein bisschen früh am Morgen«, antwortete Krum unsicher.
    Â»Hab dich hergebeten, damit du Bate Boris kennenlernst. Ein alter Busenfreund von mir, ach was sag ich, er ist mir wie ein Bruder …«
    Â»Ja, ich, also …«, stotterte Krum, um wenigstens seine Stimme zu hören.
    Â»â€¦ ein richtiger Bruder. Und der möchte dich um etwas bitten.«
    Â»Was in meiner Macht steht, will ich …«
    Â»Aber das tut er nur einmal , ich meine, das Bitten. Beim zweiten Mal, da wird ihm das Bitten nämlich langweilig, verstehst du. Und wenn ihm langweilig ist, dann kommt diese Unzufriedenheit hoch, diese Wut, und dann vergisst er schon mal, was er tut, und schlägt wild um sich. Ja, so ist er halt, der Bate Boris. Und dann kann man nur beten, dass ein Krankenhaus in der Nähe ist. Denn, mein lieber Freund Krum, wenn das nicht in der Nähe ist …«
    Â»Lass mal, Pavka, du erschreckst mir den Mann noch«, beschwichtigte der Genannte und zog in gespielter Verlegenheit an seiner Zigarre.
    Â»â€¦ dann kann der Krankenwagen auch gleich weiterfahren, dahin, wo die schönen Trauerweiden ihre langen Zweige über bemooste Steine hängen lassen.«
    Die gefärbte Blondine lachte über Tscholevs anschaulichen Scherz und zog ihr Röckchen ein bisschen tiefer.
    Â»Was in meiner Macht steht, will ich tun«, wiederholte Krum blöde.
    Â»Herr Marijkin«, ließ der Mann in Tweed seine Stimme vertraulich und freundlich erklingen, »ich würde gern Ihre Fabrik käuflich erwerben.«
    Â»Meine Fabrik?« Krum fühlte erst, wie ihm der Schweiß ausbrach, dann die dazugehörige Angst. »Aber die ist doch so gut wie pleite, eine Ruine.«
    Â»Darum machen Sie mir ja auch einen günstigen Preis.« Sein Blick glitt scheinbar desinteressiert in die gegenüberliegende Ecke des Raumes, strich über das Landschaftsgemälde Sonnenaufgang über der Donau und erstarrte auf der glühenden Spitze seiner Zigarre. »Oder sagen wir lieber, ich mache Ihnen einen günstigen Preis, sagen wir fünfzigtausend Euro.«
    Â»So viel ist doch schon die Schutzmauer um die Fabrik wert«, entfuhr es Krum.
    Â»Und?«, feixte Tscholev, »die haben doch nicht dein Vater und du errichtet, oder? Ihr hattet es doch mehr mit dem strahlenden Sozialismus, Stein auf Stein, Parteierlass auf Parteierlass, hehe.«
    Â»Herr Tscholev, mäßigen Sie sich bitte«, fuhr ihm der Recke in Tweed ins Wort, nahm sich eine Scheibe von der gewürzten Hartsalami, kaute angewidert darauf herum, wischte sich die Finger an der Batistserviette ab und wandte sich wieder an Krum: »Sie wissen selbst, Herr Marijkin, dass die Fabrik in den sechziger Jahren vollkommen neu aufgebaut worden ist. Wenn Sie es recht bedenken und die Hand aufs Herz legen, dann ist doch von der alten Fabrik Ihres Herrn Großvaters nur noch der Name geblieben. Ich

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