Seelenasche
meine, fünfzigtausend Euro für einen Namen, das ist doch wohl ein faires, ein unschlagbares Angebot, oder?«
In Krum meldete sich der angeborene Starrsinn, und er versuchte, seine Angst herunterzuschlucken.
»Bis vor einigen Jahren hat die Fabrik Feinporzellan in zwei Dutzend Länder exportiert. Ich habe den Wunsch, die Fabrik wieder in den Zustand zu versetzen â¦Â«
»Entschuldigung, Herr Marijkin, ich möchte diese Fabrik nicht für mich kaufen«, unterbrach Bate Boris ihn schroff, »denn ich bin kein Freund feiner Tässchen. Hab als Kind einmal so eine Tasse bei meiner Tante zerdeppert und dafür von meinem Herrn Papa eine derartige Backpfeife kassiert, dass ich Porzellan seitdem nicht mehr ausstehen kann. Ich habe aber einen Namensvetter, einen alten Turnhallengefährten, der Einzige, der mich auf der Matte mal besiegt hat, dem gehört die Porzellanfabrik in Rasgrad. In der Gegend gibt es wirklich gutes Kaolin, sage ich Ihnen, ganz fein. Der hat mir nun einige unschätzbare Dienste erwiesen, und ich bin dem was schuldig. Kurz, ich hab ihm versprochen, die Konkurrenz in Widin für ihn zu kaufen. So verstehe ich Marktwirtschaft, Herr Marijkin, der Stärkere bekommt den Markt.«
»⦠bekommt die Macht?«, fragte Krum verdutzt, dem es in den Ohren rauschte.
Krums ehemaliger Mitschüler Pawel Tscholev, Hausherr dieser lustigen »Verhandlungen«, lachte lästerlich und kippte seinen Whisky auf ex. Die beiden Dämchen stimmten als fügsame Angestellte giggelnd in Tscholevs Lachen ein. Der Tweed-Recke schaute sie an, als wären sie dunkle Flecken, die jemand aufs Licht gemacht hätte, oder als sei er erstaunt über ihre Anwesenheit, dann schweifte sein Blick wieder in die Ecke und blieb auf dem zweiten Gemälde hängen, Donaufischer genannt.
»So funktioniert Marktwirtschaft, Herr Marijkin, wenn sich kein Bleistiftstemmer einmischt«, unterstrich Bate Boris noch einmal leise mit gefährlichem Unterton.
»Lassen Sie mich nachdenken, Herr â¦Â«
»Gut, sechzigtausend Euro, das ist mein letztes Angebot.«
Mit diesen Worten erhob sich der Zweizentnermann leicht wie eine Feder und drückte seinen Zigarrenstummel im Aschenbecher aus.
»So ganz ohne mir das zu überlegen â¦Â«, beharrte Krum, um seine innere Erstarrung zu überspielen.
»Gut, überlegen Sie, ich gebe Ihnen zwei Stunden.«
»Na, wenn das keine GroÃzügigkeit ist«, kommentierte Pawel Tscholev erheitert.
»Wie auch immer Sie sich entscheiden, Herr Marijkin«, sagte Bate Boris, bevor er ging, bedrohlich, »seien Sie sicher, dass wir uns nicht wiedersehen werden. Hab mich gefreut, Sie kennenzulernen.«
Als die Tür endlich hinter ihm ins Schloss fiel, hatte Krum das trügerische Gefühl, aus einem Albtraum zu erwachen. Die Morgensonne blendete ihn. Dann badete er seine Augen im tröstlichen Anblick des dahingleitenden Vergessens namens Donau. Ein Geruch nach Sumpf, nach Herbst und nach Fruchtsäure lag in der Luft. Krum betrat die erstbeste Kneipe und bestellte sich ein groÃes Glas Traubenbrand und einen Bauernsalat, dann noch ein Glas, dann noch eins. Sein Hemd trocknete unter den Achseln und am Kragen, der Alkohol machte ihn schwindlig, flöÃte seinem Hirn aber auch Mut ein, Ãbermut. Es ging auf Mittag zu, als er per Mobiltelefon Pawel Tscholev anrief. Als er dessen alkoholisiert-verwaschene Stimme hörte, dachte er: Wartâs ab, Freundchen, ich habe nämlich jetzt gleichgezogen!
»Hör zu«, sagte er mit heiserer Stimme, »du kannst deinem Bate-Bruder Boris bestellen, der Herr Marijkin hat keine Fabrik zu verkaufen.«
»Ganz wie der Herr wünschen«, beschied ihn Tscholev mit einer Schadenfreude, die Vorfreude verriet.
14
Am nächsten Morgen weckte ihn ein undefinierbarer Jammerlaut. Im ersten Moment dachte er, das sei eine Schiffssirene, die sich durch den Dunst über dem Fluss in sein Haus, sein Ohr, seinen Traum drängte. Dann erkannte er die Stimme seiner Mutter. Kurz darauf stürzte sie auch schon in sein Zimmer. Ihre Kleider, ihre Haare sahen aus, als hätte sie mit jemandem gekämpft. Das Entsetzen, das sich auf ihrem Gesicht malte, war so groÃ, dass es dessen ganze Hässlichkeit auslöschte. Daran erkannte er, dass sie auÃer sich war. Sie umarmte ihn weinend, als wolle sie ihn ganz und gar wieder in sich aufnehmen, ihn zurücknehmen in die
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